Lampenfieber bekämpfen: Körpersprache wird von vielen unterschätzt

Autor*innen
Ursula Kals
Eine riesige Taschenlampe scheint auf einen Mann, der stolz mit herausgereckter Brust die Hände in die Hüften stemmt. Im Hintergrund stehen aufgereiht weitere Personen mit verschränkten Armen.

Viele Berufstätige haben Angst vor Auftritten. Sie bekommen feuchte oder eiskalte Hände, einen trockenen Mund oder Herzrasen. Karrierecoach Katja Voigt erklärt, was hilft.

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Frau Voigt, warum haben Menschen Lampenfieber?

Die Gründe sind unterschiedlich. Vielleicht haben sie Angst, im Mittelpunkt zu stehen, zu versagen, bewertet zu werden, oder Sorge, dass die Technik nicht funktioniert. Dann steigt bei einer Präsentation der Puls.

Können Gründe für diese Unsicherheit in der Kindheit liegen?

Diese Erfahrung habe ich in Hunderten Trainings gemacht. Ich nenne das Blockflötentrauma. Wir sollen Weihnachten etwas vor der Großmutter auf der Flöte vorspielen, haben nicht so viel geübt, wie die Mama verlangt hat. Dann kommt der Heiligabend und zack, es geht schief. Dann ist die Reaktion der Mutter: Siehste, du hast nicht geübt, die Oma ist enttäuscht. Schade, dass du das nicht gemacht hast, es hätte so schön sein können! Und das bei einem Kind, das fünf, sechs, sieben Jahre alt ist. Das prägt.

Und in der Schule setzt es sich fort?

Das kann ein Referat sein, das nicht so klappt und für das jemand ausgelacht wird, oder jemand wird ausgelacht für die Kleidung, die er oder sie während des Referats trägt. Solche Erlebnisse prägen uns negativ. Wenn dann wieder ein Auftritt kommt, sagen wir: Das möchte ich eigentlich nicht, wahrscheinlich geht es wieder schief, und ich versage wieder. Und dieses Gefühl schleppen die Damen und Herren mit. Manchmal bis zu dem Zeitpunkt als CEO, wo sie dann sagen – jetzt muss ich etwas ändern.

Hinzu kommen bei Aufregung unangenehme körperliche Reaktionen.

Das können feuchte oder eiskalte Hände sein, der berühmte Frosch im Hals, ein trockener Mund, Herzrasen, Kurzatmigkeit, zittrige Hände, zittrige Beine. Wir fangen plötzlich an zu schwitzen. Manche haben einen nassen Rücken. Oder wir müssen häufig vorher auf die Toilette.

Das klingt dramatisch. Aber zum Glück unterscheiden sich Eigen- und Fremdwahrnehmung. Man kann sicher wirken, ohne sich so zu fühlen.

Das ist absolut richtig. Wenn wir aufgeregt sind – innerlich brodelt in uns ein Vulkan – sind die meisten der Meinung, jeder müsse sehen, dass wir wahnsinnig aufgeregt sind. Das ist nicht so.

Wie können wir denn nach außen Sicherheit verkörpern?

Wenn Sie zittrige Hände haben, nehmen Sie eine feste DIN-A5-Karteikarte in die Hand statt eines DIN-A4-Papiers, die Karte zittert weniger. Oder nehmen Sie eine kleine Papierkugel, die Sie aus Fetzen eines Blattes geformt haben. Die können Sie zwischen Zeigefinger und Daumen halten. So können Sie all Ihr überschüssiges Adrenalin und Cortisol in diese Kugel drücken. Gleichzeitig sind Ihre Hände aufgeräumt. Für diesen Tipp werde ich in Dax-Unternehmen geliebt, weil die dort sagen: Mensch, bevor ich präsentiere, brauche ich meine Kugel wieder!

Körpersprache scheint immens wichtig zu sein?

Das ist so und wird von vielen unterschätzt. Also sorgen Sie für einen festen Stand, halten Sie Blickkontakt zu Ihrem Publikum und schauen Sie nicht auf Ihre Folien.

Gibt es auch populäre Tricks gegen Lampenfieber, die Sie falsch finden?

Oh ja. Zum Beispiel, sich das Publikum nackt vorzustellen, um die Angst zu verlieren. So ein Unfug! Oder von den Zehenspitzen auf die Fersen zu wippen, das wirkt unruhig. Auch der Tipp, noch mal ordentlich einzuatmen vor dem Auftritt. Das können Sie total vergessen. Wenn Sie aufgeregt sind, haben Sie ohnehin schon viel mehr Luft im Brustraum. Denken Sie lieber daran, auszuatmen. Zum Beispiel können Sie sich vorstellen, Sie haben eine Torte vor sich und Sie pusten alle Kerzen auf ein langes Fff aus. Oder gähnen Sie aus dem tiefsten Inneren. Das Hilft wirklich.

Und bitte ein Wort zum Sprechtempo.

Wer aufgeregt ist, der spricht meist sehr schnell. Das hohe Sprechtempo führt dazu, dass die Zuhörer nicht folgen können, wir uns verhaspeln und das stresst uns dann wieder.

Gerade die Unsicheren müssten doch tipptopp vorbereitet sein.

Das ist erstaunlicherweise häufig nicht der Fall. Ich glaube, das ist die kognitive Dissonanz, also wie bei jedem Raucher, der weiß, dass Rauchen nicht gesund ist, aber irgendwie kann er nicht davon lassen. Je erfolgreicher jemand ist, desto voller ist der Terminkalender und desto häufiger höre ich: Ich habe gar keine Zeit, mich auf jede Präsentation vorzubereiten. Das ist aber der Gamechanger, sich diese Zeit zu nehmen.

Warum ist das die Stellschraube?

Zur Vorbereitung gehört, sich Fragen zu stellen: Verstehe ich überhaupt die Dinge, über die ich da spreche? Kenne ich mich mit dem Thema wirklich gut aus? Bin ich auch für kritische Fragen der Zuhörer gewappnet? Wenn ich fleißig bin, macht das schon mal viel aus. Ich zitiere gerne den Showmaster Rudi Carrell, der gesagt hat: Witze kann man nur dann aus dem Ärmel schütteln, wenn man sie vorher hineingesteckt hat. Soll es leicht und locker aussehen, dann muss ich vorher viel Hirnschmalz und Zeit in die Vorbereitung stecken.

Und das muss ich üben und nicht nur probehalber die Folien durchklicken?

Ich sollte mich hinstellen und den Vortrag halten, als wäre er schon live und echt. Das macht den Unterschied. Ich habe als Moderatorin weit über 1.000 Veranstaltungen moderiert und mehr als 500 Sendungen. Egal, ob eine kleine Veranstaltung oder etwas ganz Großes, ich übe vorher gründlich meinen Text. Das heißt nicht, dass ich ihn auswendig lerne.

Warum machen Sie das?

Weil ich dann merke, Hoppla, an der Stelle funktioniert es noch nicht, da habe ich mir einen tollen Text zurechtgelegt, aber es läuft nicht, ich stolpere über einen Namen, ein Übergang klingt nicht gut. Dann kann ich das nachbessern.

Woran kann ein Auftritt noch scheitern?

An der Technik und am Raum. Seien Sie rechtzeitig am Veranstaltungsort, testen Sie Ihren Laptop: Läuft Ihre Präsentation? Steht auf der Bühne oder im Meetingraum ein Flipchart, brauchen Sie den oder steht der im Weg? Dann räumen Sie den weg. Bei Online-Präsentationen: Kommen Sie mit der Software zurecht? Passen Mikrofon, Kamera und Licht? Wie sieht der Hintergrund aus? Da haben wir seit Corona schon die schärfsten Sachen erlebt.

Was raten Sie bei einem Blackout?

Wenn die Festplatte gelöscht ist, hilft eine Frage ins Publikum. Das meint es immer gut mit Ihnen, davon bin ich überzeugt. Fragen Sie: Meine Damen und Herren, jetzt habe ich meinen Faden verloren. Was war der letzte Punkt..? Wenn das charmant rüberkommt, nimmt Ihnen das keiner übel. Nicht zu vergessen die Moderationskarten, ein Blick darauf hilft weiter. Das ist deutlich souveräner als rumzustammeln.

Katja Voigt ist Auftrittscoach, Moderatorin und Trainerin. Sie arbeitet regelmäßig mit Berufstätigen und Führungskräften daran, ihr Lampenfieber loszuwerden. 

Podcast-Tipp

Mehr Tipps von Katja Voigt gibt es auch im Podcast F.A.Z. Beruf & Chance: "Keine Angst vor der Angst" unter dem Link faz.net/karrierepodcast-angst

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