Orientierung im Beruf: Nicht ohne meinen Coach

Autor*innen
Felicitas Witte
Ein Abrund wird von einer riesigen Glühbirne überbrückt, die von einem Mann gehalten wird. Eine Frau mit Aktentasche überquert den Abgrund mit Hilfe der Glühbirne.

Karrierecoaching kann vor allem Berufsanfängern zu mehr ­Selbstvertrauen, Leistung und Gehalt verhelfen – aber nur unter bestimmten Bedingungen. Worauf man achten sollte.

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Heute haben junge Menschen die Qual der Wahl, und das kann zum Problem für die spätere Karriere werden. Im Wintersemester 2021/2022 boten deutsche Hochschulen 20.951 Studiengänge an – das sind fast doppelt so viele wie 2007/2008. Hinzu kommen 324 Ausbildungsberufe. "Jungen Menschen stehen heutzutage viel mehr Möglichkeiten zur Gestaltung ihrer beruflichen Laufbahn zur Verfügung als je zuvor", sagt Simone Kauffeld, Lehrstuhlinhaberin für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der TU Braunschweig. "Das ist natürlich gut, aber die Vielfalt kann verunsichern, ein Gefühl von Überforderung oder Unentschlossenheit auslösen oder zu überstürzten Entscheidungen führen."

Berufsanfänger sind mit weiteren Fragen konfrontiert, die die Karriereplanung erschweren: Was mache ich, wenn ich einen Job will, mit dem meine Eltern nicht einverstanden sind? Wenn mich ein Studium interessiert, das voraussichtlich in einen brotlosen Job führen wird? Wie soll ich mich für einen Job entscheiden, wenn mich gerade andere Probleme beschäftigen, etwa Ärger mit den Eltern, mein Auszug von zu Hause oder dass sich mein Freund von mir trennt? Fragen und Unsicherheiten hören mit der ersten Stelle nicht auf. Wie schaffe ich den Spagat zwischen Beruf und Familie? Was ist, wenn ich merke, dass ich die Karriereleiter gar nicht so hoch klettern will, wie ich mal vorhatte? Wann ist ein Wechsel angebracht? "Es ist sinnvoll, über seine Wünsche, Werte und Kenntnisse nachzudenken, wenn man berufliche Entscheidungen treffen will", sagt Claudia Sorg-Barth, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung. "Aber selbst wenn einem diese bewusst sind, kann es schwierig sein, effektive Strategien zu entwickeln."

Nützen kann hier ein Karrierecoach, um Chancen, Herausforderungen und Hindernisse auszuloten. Die Berufsbezeichnung ist genauso wenig definiert wie der Begriff Berufsberater. Beide Berufe sind zudem nicht geschützt, im Grunde kann sich jeder so nennen. Berufsberater arbeiten in öffentlichen Arbeitsagenturen oder für private Anbieter. Sie vermitteln vor allem Informationen und geben praktische Tipps: Inhalte von Berufen, Ausbildungswege, Anforderungen für Ausbildung und Beruf, Arbeitsmarktsituation und Beschäftigungschancen. Sie helfen, Stellengesuche zu formulieren, wie man in Jobbörsen sucht, Bewerbungsunterlagen optimal gestaltet und sich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet.

Natürlich könne man auch ohne Coach seinen Traumjob finden, sagt Arne Adrian, Personalexperte im Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen und Headhunter in Berlin. "Coaching kann aber ein echter Karriereturbo sein. Ein paar Sitzungen zu probieren lohnt sich auf jeden Fall." Die Suche nach dem passenden Beruf habe sich verändert, der Bedarf an Beratung und Reflexion über die eigenen Vorstellungen und Wünsche sei gewachsen. Früher habe es gereicht, die Karriereleiter hochzuklettern und Geld zu verdienen, erzählt er. "Heute fragen sich viele: Weshalb mache ich diesen Job? Und warum in dieser Firma? Bin ich hier überhaupt richtig?"

Was effektives Karrierecoaching ausmacht, lässt sich ungefähr so zusammenfassen: Coaches müssen ein Vertrauensverhältnis herstellen, damit sich Klienten verstanden fühlen und öffnen; das gelingt unter anderem dadurch, dass sie sich ein umfassendes Bild von deren Werten, Motiven und Kompetenzen machen. Gute Coaches entdecken zudem die Potenziale ihrer Klienten, aber auch unbewusste innerliche Konflikte, die Unzufriedenheit und Frust auslösen können – etwa wenn sich ein Mann von der Gesellschaft oder seiner Familie gedrängt fühlt, einen hohen Posten anzunehmen, er aber eigentlich mehr Zeit für seine Familie haben möchte.

Am häufigsten suchen Menschen einen Karrierecoach auf wegen Konflikten zwischen Beruf und Privatleben, weil sie den Wunsch nach beruflicher Veränderung spüren und analysieren möchten, welche Stärken und Schwächen sie haben. Oder weil sie die nächsten Karriereschritte planen möchten. Ein großes Manko sei, sagt Kauffeld, dass die Ausbildung zum Karrierecoach oft nicht wissenschaftlich fundiert sei. "Wir wissen aus der Forschung recht gut, was im Coaching wirkt und was nicht. Das sollte unbedingt in Coaching-Ausbildungen einfließen."

Studien zeigen, dass Karrierecoaching helfen kann, Ziele zu identifizieren, Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und Entscheidungen zu gewinnen. Und Menschen mit klaren Berufszielen und Vertrauen in sich sind im Beruf zufriedener, leisten mehr, werden eher befördert, bekommen mehr Gehalt.

Gemäß einer Coaching-Marktanalyse der Rauen-Gruppe bekommen Coaches je Stunde im Schnitt 164,64 Euro. Wie viel es im Einzelfall sei, hänge aber von vielen Faktoren ab, sagt Claudia Sorg-Barth. Unter anderem vom Anliegen des Klienten und den Techniken zur Coaching- und Persönlichkeitsanalyse. Dies bestimmt auch, wie viele Stunden notwendig sind. Für ein nachhaltiges Coaching braucht es aber mindestens vier bis sechs Sitzungen.

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