Interner Jobwechsel: Rotation ins Glück

Autor*innen
Selma Schmitt
Weiblicher Körper mit großem Mund und herausgestreckter Zunge.

Es spricht viel dafür, im eigenen Unternehmen dann und wann die Stelle zu wechseln. Die Varianten sind vielfältig. Nur einen Haken gibt es.

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Es ist heutzutage selten, dass Angestellte jahrelang in einem Unternehmen in der gleichen Position bleiben. Unter Berufsanfängern ist die Bereitschaft, den Job zu wechseln, laut Studien besonders hoch. Einige Arbeitgeber versuchen deshalb für mehr Abwechslung zu sorgen – indem sie Programme zur sogenannten Jobrotation anbieten. So zum Beispiel beim Lebensmittelkonzern Lidl: Dort können Mitarbeiter für ein bis zwei Jahre in einen der Auslandsstandorte des Unternehmens wechseln. Die Angestellten können etwa den Arbeitsalltag im sonnigen Lissabon entdecken und nebenbei in einem berufsbegleitenden Sprachkurs Portugiesisch lernen. Meist arbeiten sie im Zielland in einer ähnlichen Position wie in der Heimat, die Rotation legt der Karriere also keine Steine in den Weg. Aufgaben vom deutschen Standort gibt es in der Zeit allerdings nicht, schließlich sollen sie den Auslandsaufenthalt in vollen Zügen genießen können.

Eine Station bei einem Auslandssitz des eigenen Unternehmens ist nur eine mögliche Form interner Jobrotation. Der Begriff kann, wie bei Lidl, ein extra angelegtes Programm bezeichnen, bei dem Angestellte an einen anderen Standort oder eine andere Position wechseln. Dies findet sich auch häufig in Traineeships wieder, bei der Auszubildende zwischen Abteilungen wechseln. Genauso kann Jobrotation in einem Projektteam stattfinden, dessen Mitglieder alle paar Tage ihre Aufgaben tauschen – um einen frischen Blick für die Dinge zu bekommen. Thomas Bartscher, Professor für Personalmanagement und Digitalisierung an der Technischen Hochschule Deggendorf, sagt: "Jobrotation heißt, immer wieder Neues zu lernen."

Früher war die Motivation der Arbeitgeber, Mitarbeitern eine Jobrotation zu ermöglichen, eine rein pragmatische. Die Idee entstand in den 1970er-Jahren in der Automobilbranche. "Studien hatten gezeigt, dass Mitarbeiter unproduktiver werden, wenn sie permanent dasselbe tun", sagt Bartscher. "Rotation sollte diese Eintönigkeit aufbrechen." Statt also den ganzen Tag die gleichen Handgriffe am Fließband zu machen, wechselten Mitarbeiter der Produktion alle paar Stunden ihre Position. "Die Abwechslung machte sie effizienter."

"Silos aufbrechen und die Zusammenarbeit fördern"

Heute braucht es diese Form der Jobrotation nicht mehr, diese Fließbandaufgaben erledigen meistens Maschinen. "Jetzt geht es primär darum, die Angestellten möglichst breit zu qualifizieren", sagt Bartscher. Wer einige Zeit in einer anderen Abteilung verbringt, lernt vielleicht etwas, was er später an seiner alten Stelle anwenden kann. "Mindestens fördert es die Fähigkeit und Bereitschaft, sich mit etwas Neuem auseinanderzusetzen." Das ist auch das Ziel des Rotationsprogramms bei Lidl, wie Marco Monego sagt. Er ist Geschäftsleiter Personal bei Lidl Deutschland und sagt: "Mitarbeiter sollen mit neuen Impulsen für sich selbst, die eigene Arbeit und das Team aus der Jobrotation zurückkehren und ihre neuen Erfahrungen wieder einbringen."

Außerdem kann Jobrotation den innerbetrieblichen Austausch fördern, wie ein Programm der Kommunikationsagentur Edelman zeigt. Dabei tauschen Angestellte für vier Wochen mit Kollegen aus einem Auslandsstandort des Unternehmens ihre Position und lernen die Arbeitsweisen der Niederlassungen kennen. "Das zahlt sich insbesondere bei unseren internationalen Kunden aus", sagt Stefanie Zeidler, Personalentwicklerin bei Edelman. "So wollen wir Silos aufbrechen und die Zusammenarbeit fördern."

Damit eine Jobrotation erfolgreich ist, müssen besonders die Führungskräfte dahinterstehen, sagt Personalexperte Bartscher. Meldet sich der alte Chef während der Rotation ständig mit Aufträgen für das ursprüngliche Team, bleibt nicht viel Zeit, um Neues zu lernen. "Nur wenn Führungskräfte die Rotation wirklich wollen und unterstützen, funktioniert ein solches Projekt gut." Das ist gar nicht so einfach, zunächst bedeutet Jobrotation nämlich vor allem für Führungskräfte viel Arbeit. Ein Teammitglied fällt aus, und sie müssen Ersatz finden. "Da gibt es einiges zu organisieren", sagt Bartscher. Gleichzeitig müssen Zielteams die Rotierenden einarbeiten, bevor sie etwas leisten können. Am Anfang gingen "Produktivität und Performance der teilnehmenden Abteilungen zurück". Erst langfristig entfalten die neuen Fähigkeiten ihre Wirkung.

Ein Aufwand, der sich lohnt, meint Bartscher. "Die klassischen Berufsbilder lösen sich immer weiter auf. Menschen müssen in Zukunft vielseitiger arbeiten und sich spontan auf Neues einlassen können." Das bestätigt eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte aus dem Jahr 2020. Demnach werden im Jahr 2035 zwei Drittel der beruflichen Aufgaben nicht routinemäßig sein. Stattdessen werden interaktive und analytische Fähigkeiten immer mehr gefragt sein. Das ist auch der Grund, warum Bartscher erwartet, dass es institutionalisierte Jobrotationsprogramme in Zukunft womöglich nicht mehr geben wird. "Menschen müssen von Beginn an flexibel arbeiten und ausgebildet werden", sagt er. "Ihre Jobs werden so vielseitig sein, dass damit gesonderte Programme überflüssig werden."

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