Experten für Blockchain: Die Kryptokarriere

Autor*innen
Tobias Gürtler und Philipp Frohn
Zwei Personen springen in die Luft und freuen sich. Im Hintergrund ein gezackter Pfeil, der aufwärts zeigt.

Immer mehr Unternehmen suchen nach Experten für die Blockchain. Warum dieser Jobsektor weiter wachsen dürfte – und für wen sich ein Quereinstieg jetzt lohnen könnte.

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Noch heute erinnert sich Philipp Schulden ziemlich genau an den Moment, als seine Faszination für Kryptowährungen entstand. Vor gut sechs Jahren war das, Schulden studierte gerade International Business Administration, als er in einem seiner Kurse lernte, welche Technologie hinter virtuellen Währungen wie dem Bitcoin steht. "Ich war sofort davon fasziniert", erinnert sich Schulden, der heute 28 Jahre alt ist. "Also habe ich angefangen, mich einzulesen, Erfahrungen in Praktika zu sammeln."

Mit Erfolg: Nach dem Studium heuerte er bei einer auf das Thema spezialisierten Forschungseinrichtung an, wurde dann Kryptoexperte bei einer Unternehmensberatung. Gerade hat er ein Start-up gegründet, das Privatanlegern den Zugang zum Kryptomarkt erleichtern will. Das Wagniskapital dafür hat er bereits eingesammelt. "Wer sich in diesem Bereich Wissen aufbaut, muss sich die nächsten zehn Jahre keine Sorgen um eine Anstellung machen", gibt sich Schulden selbstbewusst.

Nicht nur was für Spekulanten

Tatsächlich lässt der Hype um Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether einen völlig neuen Jobmarkt entstehen. Längst sind in der Kryptowelt nicht mehr bloß wilde Finanzspekulanten und libertäranarchistische Gegner des staatlichen Geldsystems unterwegs. Immer mehr Unternehmen sehen in der Kryptobranche Potenzial, um ihr eigenes Geschäft voranzutreiben, und suchen händeringend Fachkräfte. Als Arbeitsmarktexpertin bei der Stellenbörse Indeed weiß Annina Hering ziemlich genau, für welche Jobs sich die Deutschen gerade interessieren.

"Je mehr die Kurse von Kryptowährungen steigen und je präsenter Bitcoin und Co. in der öffentlichen Wahrnehmung sind, desto mehr Leute suchen gezielt nach Kryptojobs", sagt sie. Im November vergangenen Jahres zählte die Stellenbörse 80 Prozent mehr Suchanfragen dazu als noch ein Jahr zuvor. Vor allem interessieren sich Bewerber für Stellen als Berater und Softwareentwickler, aber auch als Servicemitarbeiter. Und selbst in Rechts- und Steuerfragen wächst der Bedarf an Kryptospezialisten.

Daten von Indeed zeigen, dass die Nachfrage nach Kryptoexperten stärker gestiegen ist als die nach anderen Fachkräften. Insgesamt ist der Anteil der Jobs mit Kryptofokus an der Gesamtzahl der ausgeschriebenen Stellen mit 0,15 Prozent zwar überschaubar, rund 1.500 waren es im November 2021. "Es ist eine Nische", sagt Annina Hering. "Aber eine, die sich sehr gut entwickelt." Und eine, in der sich gutes Geld verdienen lässt, wie eine Gehaltsauswertung zeigt, die Indeed für die WirtschaftsWoche angefertigt hat (siehe Grafik unten).

Grafik Medianeinkommen der begehrtesten Kryptojobs [Quelle: Wirtschaftswoche]

Es geht auch ohne IT-Kenntnisse

Dabei sind es längst nicht nur Informatiker, die auf dem Jobmarkt gefragt sind. Auch Fachkräfte aus dem Finanz- und Bankensektor und Experten mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund sind heiß begehrt. "Unternehmensberatungen überall suchen nach Experten mit Kryptowissen", erzählt Philipp Schulden, der selbst bis vor wenigen Wochen bei einer solchen tätig war. Er hat dort Firmen und staatliche Einrichtungen unterstützt, mithilfe von Kryptotechnologie "passgenaue Lösungen zu entwerfen", wie er sagt. Die Anwendungsfelder, um die es dabei ging, waren vielfältig: vom Emissionshandel bis zur Pharmabranche. In diesem Bereich gebe es derzeit noch viele Stellen, die nicht besetzt werden könnten, berichtet Schulden.

Das Gleiche gelte nicht nur für unzählige Start-ups, sondern auch für Universitäten und industrielle Großkonzerne. Denn hinter Kryptowährungen steckt weit mehr als nur Kursspekulation. Sie basieren auf einer Technologie, die längst auch Unternehmen wie die Deutsche Post und Adidas für sich entdeckt haben: die Blockchain. Dabei handelt es sich um Datenbanken, die Informationen nicht zentral auf einem Server speichern, sondern verteilt auf viele Tausend kleine Rechner, mit Zeitstempel versehen. Nachträgliche Änderungen können entweder gar nicht oder nur mit Zustimmung des Netzwerks durchgeführt werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen. Beim Bitcoin und anderen Kryptowährungen wird die Blockchain genutzt, um Vermögenstransaktionen zu verwalten.

Aber auch Logistiker und Banken haben die Technologie inzwischen für sich entdeckt. Finanzdienstleistern könnte sie das Banking der Zukunft bringen: Mit sogenannten Smart Contracts werden intelligente Verträge erstellt, die unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft treten. Effizienz in Reinform. Im Schatten von Kryptowährungen wie dem Bitcoin wächst derzeit zudem ein anderer Milliardenmarkt heran, der ebenfalls auf der Blockchain-Technologie beruht: der für NFTs (Non-Fungible Token), digitale Echtheitszertifikate. Damit können digitale Sammlerstücke, aber beispielsweise auch Immobilienanteile fälschungssicher und handelbar gemacht werden. Virtuelle Kunstwerke werden dank NFT-Technologie für hohe Millionenbeträge verkauft. Und auch der neueste Hype aus dem Silicon Valley bedient sich der digitalen Wertmarken: das Metaverse.

Andreas Joebges ist Co-Gründer von Timeless Investments. Das Berliner Start-up betreibt eine App, über die Nutzer unter anderem NFTs erwerben und mit Sneakern und Pokémon-Karten handeln können. Derzeit hat sein Unternehmen 45 Mitarbeiter, sieben von ihnen befassen sich hauptsächlich mit der Umsetzung und Vermarktung des NFT-Angebots – "Tendenz stark steigend", so Joebges. Es gibt da nur ein Problem: "Diese Leute will gerade jeder haben – ob Start-up oder Großkonzern", sagt er. Im Jahr 2022 Smart Contracs schreiben zu können sei in etwa so, "als hätte man vor 32 Jahren Webseiten programmieren können". Es gebe "viele Anwendungsfelder, in denen gerade erst damit begonnen wird, sich mit der Blockchain zu befassen", sagt Joebges. "Und die Programmierkenntnisse, um diese Anwendungen umzusetzen, sind noch lange kein Common Sense."

Grafik Anzahl der Kryptostellenanzeigen bei der Jobsuchmaschine Indeed [Quelle: Wirtschaftswoche]

Auch für betriebswirtschaftliche Stellen mit technologischem Wissen gelte: "Fachkräfte, die das Konzept dahinter wirklich verstehen, sind rar gesät", so Joebges. Wenn Timeless eine solche Stelle ausschreibe, gebe es zwar stets viele Bewerber. "Aber von 300 ist vielleicht einer interessant für uns." Das liege daran, dass viele zwar eine grobe Ahnung vom Kryptouniversum hätten, es aber "für unser Geschäftsmodell schon ein sehr tiefes Verständnis braucht", sagt er. "Und dass jemand das dann noch mit der betriebswirtschaftlichen Sicht vereinen kann, ist umso seltener." Fachkräfte mit Kryptowissen rekrutiert Timeless deshalb inzwischen auch mal direkt von der Uni. "Weil junge Leute dort immer häufiger mit dem Thema konfrontiert werden – auch in den klassischen Wirtschaftsstudiengängen." Man müsse dann nur "sehr penibel darauf achten, was genau sie in ihrem Studium gemacht haben", sagt Joebges.

Blockchain als Studienfach

Erste Universitäten wollen diese Unklarheiten beheben. Von November an bietet die private Frankfurt School einen berufsbegleitenden Master an, der Teilnehmern "die Grundlagen der Blockchain-Technologie" und „innovative Konzepte zur Lösung realer Geschäftsprobleme" vermitteln soll. Kostenpunkt: 33.000 Euro. Fuß fassen im Arbeitsleben können Kryptoexperten allerdings auch ohne ein spezifisches Studium: "Wer sich mit Software oder Finanzen auskennt und sich für den Kryptosektor interessiert, für den ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um tiefer einzusteigen", sagt Arbeitsmarktexpertin Annina Hering. Häufig könnten sich Bewerber auch selbst weiterbilden.

"Wenn ich schon Skills in Statistik oder Programmierung habe, dann kann ich darauf aufbauen", betont Hering. Ein Kryptoquereinstieg gänzlich ohne Informatik- oder Finanzstudium? Auch das sei "nicht abwegig", sagt sie, "aber eine sehr große Herausforderung." Denn wer wirklich mitreden will, muss dann auch schon eine ordentliche Portion an Leidenschaft mitbringen, wie Kryptofachmann Philipp Schulden aus eigener Erfahrung weiß: "Um sich wirklich auszukennen, muss man sich schon mindestens 500 Stunden mit dem Thema beschäftigen."

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