Berufliche Neuqualifikation: Attraktive Jobs für Quereinsteiger

Autor*innen
Lazar Backovic
Eine Person schwebt in der Luft und hält eine große Tastatur wie eine Gitarre. Ihr Kopf wurde durch einen Bildschirm ersetzt, auf dem ein Mund mit herausgestreckter Zunge sichtbar ist.

Jeder zweite Angestellte wird sich bis 2025 weiterbilden müssen. Eine Studie zeigt erstmals, in welchen Bereichen sich die Deutschen einen Karrierewechsel vorstellen könnten.

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Ein bisschen ist es mit beruflicher Weiterbildung wie mit der Altersvorsorge. Die meisten wissen, dass es sinnvoll wäre, sich frühzeitig damit zu beschäftigen, tun es aber nicht. Doch bis 2025, schätzt das Weltwirtschaftsforum, werden sich 50 Prozent aller Angestellten weltweit fortbilden müssen.

Zum einen werden neue Technologien viele Jobs umkrempeln. Zum anderen wirkt die Coronakrise auch am Arbeitsmarkt als Trendbeschleuniger.

Eine Befragung der Boston Consulting Group (BCG) sowie der Jobplattform Stepstone, die dem Handelsblatt vorab vorlag, gibt erstmals Einblick, in welche Bereiche Angestellte hierzulande umsatteln würden, wenn sie ihren Job aufgeben müssten. Die Studie zeigt eindrücklich, wo einzelne Branchen ihre Stärken sehen, aber auch, welche Zukunftsbranchen in ein paar Jahren den Jobmarkt dominieren dürften.

"Insgesamt sehen wir eine große Bereitschaft, auf einen anderen Beruf als den gelernten umzusteigen", fasst Sebastian Dettmers, CEO bei Stepstone, die Ergebnisse zusammen. So könnten sich Arbeitnehmer aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Marketing und Unternehmensberatung sowie Einkauf und Logistik am ehesten vorstellen, ins Berufsfeld Automatisierung zu wechseln. Auch die Bereiche IT, Beratung und Personalwesen sind spannend für Quereinsteiger.

"Vor allem im IT-Bereich, aber auch bei der Automatisierung von Geschäftsprozessen wird zukünftig massiv qualifiziertes Personal gebraucht", sagt Studienautor Rainer Strack von BCG. Bereits im März ergab eine BCG-Studie, dass dem deutschen Arbeitsmarkt bis 2030 mehr als eine Million IT-Fachkräfte fehlen könnten.

In der Automatisierung liegt der prognostizierte Mangel bei rund 235.000 Stellen. Strack glaubt deshalb, dass die aktuellen Ergebnisse auch ein Stück weit den künftigen Bedarf am Arbeitsmarkt widerspiegeln.

Dazu kommt, dass gerade die Branchen IT und Beratung im Vergleich sehr gut zahlen. So liegt der Durchschnittsverdienst für Angestellte mit Personalverantwortung in beiden Branchen laut dem aktuellen Stepstone-Gehaltsreport bei etwa 73.000 Euro Jahresgehalt. Berater ohne Personalverantwortung verdienen im Schnitt 64.173 Euro, IT-Fachleute erhalten im Mittel mit 60.536 Euro etwas weniger.

Bei Consulting-Jobs ist der Bereich Managementberatung (Durchschnittsgehalt 78.276 Euro pro Jahr) finanziell am lukrativsten. In der Informationstechnologie wird der Bereich IT-Architektur (durchschnittlich 80.745 Euro pro Jahr) am besten vergütet. Bei all dem kann der Quereinsteigerbereich Personalwesen nicht mithalten. Hier verdienen Angestellte im Schnitt gerade einmal 58.000 Euro.

Auch wenn sicherlich strategische und finanzielle Überlegungen bei einem Karrierewechsel eine wichtige Rolle spielen: Viele der Szenarien liegen aus Branchensicht schlichtweg auf der Hand, "weil die Tätigkeitsfelder eng beieinanderliegen und Jobwechsler so ihre bereits erworbenen Fähigkeiten auch in anderen Bereichen gut einsetzen können", erklärt Strack. So können sich Ingenieure und Angestellte im Pharma- und Gesundheitsbereich zum Beispiel gut vorstellen, ihr Wissen auch in der Forschung einzubringen.

Unter den wechsel- und weiterbildungsbereiten Medienvertretern hingegen würde ein Drittel künftig im Bereich Marketing oder Kommunikation Karriere machen. Ähnlich sieht es bei kreativen Berufen wie Grafikdesignern aus.

An der Umfrage von BCG und Stepstone nahmen in Deutschland insgesamt 9000 Beschäftigte aus 15 Branchen teil. Die Wechsel-Fragen haben insgesamt rund 8300 Arbeitnehmer in Deutschland beantwortet.

Welche Fähigkeiten in den Jobs der Zukunft gefragt sind

Laut Weltwirtschaftsforum stehen kritisches Denken und Problemlösen ganz oben auf der Liste der Fähigkeiten, von denen Arbeitgeber glauben, dass sie in den nächsten fünf Jahren an Bedeutung gewinnen werden – keine fachspezifischen Fähigkeiten also. Neu ist außerdem, dass auch Skills wie Belastbarkeit, Stresstoleranz und Flexibilität gefragt sind. Genau wie Selbstmanagement, wozu auch aktives Lernen gehört.

Doch hier sind die Deutschen international weit abgeschlagen, wie die BCG-Auswertung zeigt. Im Schnitt würden nur 55 Prozent der Befragten in Deutschland von sich aus eine Fortbildung oder Umschulung in Anspruch nehmen.

In den krisengebeutelten Bereichen Einzelhandel und Tourismus ist die Lernbereitschaft zwar deutlich höher. Dennoch liegt Deutschland insgesamt nur auf dem 40. Platz von insgesamt 45 Ländern, in denen BCG insgesamt mehr als 200.000 Angestellte befragt hat. Bei den tatsächlich in Anspruch genommenen Trainingsangeboten liegt die Bundesrepublik gar auf dem vorletzten Rang. Nur die Niederländer investieren demnach weniger Zeit in Fortbildungen und Umschulungen.

"Viele Angestellte in Deutschland glauben allein schon aufgrund der demografischen Lage, dass sie in keine größere Arbeitslosigkeit hineinrennen", interpretiert BCG-Partner Strack das Ranking. Das mache sich auch bei der Bereitschaft für Trainingsmaßnahmen bemerkbar.

Denn wer denkt, dass der eigene Job noch einige Jahre bestehen wird, steckt tendenziell weniger Zeit in Fortbildungen – "was leichtsinnig ist", sagt Strack. Schließlich dürften viele Branchen in Zukunft durch neue Technologien tiefgreifend verändert werden.

"In Deutschland stehen wir vor einem massiven Einbruch an Fachkräften", sagt auch Stepstone-CEO Dettmers. Um das langfristig aufzufangen, brauche es erstens "die Bereitschaft der Unternehmen, noch mehr in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren", und zweitens "einen durchlässigeren Arbeitsmarkt, der es Menschen ermöglicht, leichter und schneller den Job zu wechseln".

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