Flurfunk: Schon gehört?

Autor*innen
Julia Beil
Zwei Personen, deren Köpfe jeweils durch rufende Münder ersetzt wurden.

Bürotratsch ist zu Unrecht verschrien – er nützt sogar der Karriere, sagt eine Kommunikationsexpertin. Ein Leitfaden fürs richtige Tratschen.

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Das englische Wort "Gossip" lässt sich nur schwer ins Deutsche übersetzen. Man könnte es mit "Klatsch und Tratsch" umschreiben – der niederländischen Kommunikationswissenschaftlerin Dominique Darmon ist das allerdings zu negativ. Darmon hat ein Buch darüber geschrieben, wie Berufstätige sich Flurfunk zunutze machen können. Sie findet: "Gossip hat zu Unrecht einen schlechten Ruf."

Die Wissenschaftlerin definiert "Gossip" nicht als Lästern , sondern viel neutraler: "Gossip ist, wenn zwei Menschen über eine dritte, nicht anwesende Person sprechen. Er hat viele verschiedene Funktionen, die unserer Karriere extrem nützen können."

Ihre These: Wer sich daran gar nicht beteiligt, hat es schwer, beruflich weiterzukommen. Wer andererseits zu viel und vor allem zu undurchdacht tratscht, wird ebenfalls ein Problem bekommen. "Die Kunst ist es, beim Gossip die perfekte Balance zu finden."

Und so gelingt Ihnen das.

Erst mal nur zuhören

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie fangen einen neuen Job an. Ihre Chefin erzählt Ihnen von einem Kollegen, der regelmäßig zu spät kommt. Was tun Sie? Wenn es nach Dominique Darmon geht, dann steigen Sie aus einem solchen Gespräch nicht gleich aus, weil Sie fürchten, als Lästerer wahrgenommen zu werden. Auch direkt mit zu tratschen wäre verkehrt. "Hören Sie stattdessen erst einmal genau zu und sammeln Informationen", rät Dominique Darmon. Wie häufig kommt der Kollege unpünktlich? Wodurch ist Ihrer Vorgesetzten das aufgefallen? Was genau stört sie daran? Aus den Antworten können Sie Rückschlüsse für sich selbst ziehen und lernen, worauf Ihre Chefin bei Mitarbeitern Wert legt. "Das ist der viel elegantere Weg, als erst selbst zu spät zu kommen und aus dem Fehler lernen zu müssen."

Tratschen aus guten Gründen

Bei Büro-Gossip mitzumachen kann Ihre Sympathiewerte bei den Kollegen erhöhen – wenn Sie es aus den richtigen Gründen tun. "Wenn Ihr Gesprächspartner spürt, dass Sie ihm etwas erzählen, um ihn zu warnen, zu schützen oder zu helfen, dann haben Sie einen Verbündeten gewonnen", sagt Dominique Darmon.
Dennoch sollten Sie vorsichtig sein, gerade wenn Sie neu in einer Firma sind. "Sie können nicht sofort wissen, ob Ihr Gesprächspartner Ihnen wohlgesonnen ist oder ob er das, was Sie ihm erzählen, womöglich gegen Sie verwenden wird", sagt Dominique Darmon. "Das lässt sich herausfinden, aber nur mit Zeit und Einfühlungsvermögen."

Vorsicht bei Online-Tratsch

Corona bedeute keineswegs das Ende des Gossip, sagt Darmon. Besonders eine Praktik erfahre gerade Hochkonjunktur: Via Chat tratschen, während beide Beteiligten im selben Zoom-Meeting sitzen ("Jedes Mal muss sich Paul zu Wort melden, ich kann seine Stimme nicht mehr hören").
Hier sei allerdings maximale Vorsicht geboten. "Wenn Sie bei Slack oder Teams tratschen, können Sie eher missverstanden werden, weil Ihr Gegenüber Ihre Körpersprache und Gestik nicht sieht." Sie können nicht unmittelbar erkennen, ob jemand zurückzuckt oder schockiert wirkt. "Also haben Sie auch nicht die Gelegenheit, das Gesagte zu relativieren oder genauer zu erklären."

Keine Gerüchte streuen

"Die meisten Menschen denken sofort an Gerüchte, wenn Sie das Wort 'Gossip' hören", sagt Dominique Darmon. Dabei handle es sich um zwei unterschiedliche Dinge. Beim Tratschen tauschten Kollegen Erfahrungen aus, die sie selbst gemacht haben. Gerüchte hingegen seien das Produkt einer Art "stillen Post". Trägt jemand etwas weiter, was er nicht selbst erfahren oder gesehen hat, würden schnell Dinge hinzuerfunden, überspitzt oder weggelassen.
"Gerüchte und Desinformation werden im Büro immer ein Thema sein", sagt Darmon. "Werden die falschen Nachrichten am Ende aber auf Sie zurückgeführt, lässt Sie das in einem negativen Licht dastehen."

Nicht erwischen lassen

"Die Essenz des Gossip ist es, dass die Person, über die gesprochen wird, außer Hörweite ist", sagt Darmon. Hört sie mit, beginnt das Problem. "Googeln Sie einfach mal 'Beim Tratschen erwischt' und Sie werden sehen, dass viele Menschen deswegen sogar schon ihre Jobs verloren haben." Im schlimmsten Fall könne man gar wegen Diffamierung angezeigt werden.

Hört jemand mit, wie Sie über ihn sprechen, wird er gekränkt sein, sagt Kommunikationsexpertin Darmon – umso mehr, je negativer Sie sich äußern. Das kann Abneigung schüren und laut Darmon zu echten "Corporate Wars" führen, zu firmeninternen Kriegen. Sie selbst tratscht daher nach der Devise: "Gossip ist gut. Solange er ein Geheimnis bleibt."

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