Equity Research (Sell-Side): Was macht man im Equity Research?

Autor*innen
S. Zank
Eine aus Pfeilen bestehende Strecke mit Bergen und Tälern, auf denen zwei Geschäftsleute um die Wette sprinten.

Das Tätigkeitsprofil des Sell-Side-Equity-Research-Analysten erstreckt sich im Wesentlichen auf die als Research bezeichnete sektorspezifische Analyse von Aktien beziehungsweise den entsprechenden börsennotierten Unternehmen. Hinzu kommt die Ableitung von Investmentempfehlungen.

Dies beinhaltet die finanzmarktbezogene Einschätzung eines Unternehmens im Sektorkontext, das heißt die Analyse des Marktes, der Positionierung eines Unternehmens, der Implikationen auf Geschäftsaussichten und deren finanzwirtschaftlicher Auswirkungen sowie der daraus abgeleiteten Bewertung eines Unternehmens.

Ist die Aktie über- oder unterbewertet?

Als Quintessenz folgt ein absolutes oder relatives Rating, worin der Sell-Side-Analyst seine Beurteilung zur Über- oder Unterbewertung einer Aktie ausdrückt. Dabei ist es essenziell, zu verstehen, dass der Sell-Side-Analyst für seine fundierte Meinung bezahlt wird und nicht für das Repetieren der Investment Cases von Investor Relators.

Der Kapitalmarkt: nur teilweise effizient

Hintergrund dieser Empfehlungen ist die Annahme, dass der Kapitalmarkt nur teilweise effizient ist und bevorstehende Entwicklungen nur verzögert in die Bewertung einer Aktie einpreist. Die finanzwirtschaftliche Analyse wird dabei aus der sogenannten Fundamentalanalyse über ein mathematisches Bewertungsmodell und/oder aus marktbasierten Vergleichsmodellen abgeleitet.

Wie reagiert der Markt?

Darüber hinaus sollte der Analyst die Chart-Technik sowie das sogenannte Sentiment, das heißt die Stimmung für oder wider eine Aktie oder einen Sektor, im Hinterkopf behalten. Beide Faktoren überschatten nämlich häufig die eigentliche Fundamentalanalyse. Die Schwierigkeit dabei ist, einzuschätzen, wie der Markt auf einen bestimmten Nachrichtenfluss reagieren wird und ob sich bestimmte Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken eines Unternehmens beziehungsweise Sektors schon hinreichend in der Aktienbewertung widerspiegeln.

Der Herde einen Schritt voraus

Der Knackpunkt ist natürlich der, dass der Sell-Side-Analyst die entsprechenden Ideen und Meinungen möglichst frühzeitig erkennen und vermarkten muss, bevor der Markt auf bestimmte Trends aufspringt und der Herdentrieb des Markets einsetzt.

Was bedeutet "Sell-Side"?

Das Kürzel "Sell-Side" adressiert den Kundenkreis des Analysten beziehungsweise die Vermarktung seiner Investmentideen. Sell-Sider wenden sich mit ihren Ideen an institutionelle Investoren, das heißt Buy-Side-Analysten und Portfoliomanager anderer Investmentgesellschaften beziehungsweise Vermögensverwalter. Im Gegensatz dazu beschränken sich Buy-Side-Analysten auf hausinterne Investmentempfehlungen an ihre Portfoliomanager.

Die eigenen Ideen vermarkten

Als Instrumente der Vermarktung der Ideen dienen dem Sell-Side-Analysten tagesaktuelle Kurzkommentare zu maßgeblichen Ereignissen, die die Entwicklung einer Aktie treiben können. Hinzu kommen ausführliche Sektor- oder Unternehmensstudien und der regelmäßige direkte Austausch über Sektortrends mit den Kunden. Um einen Multiplikatoreffekt zu erhalten, werden die Kommentierungen und Ideen brokerintern im Morning Meeting an die Sales- und Tradingforce kommuniziert.

Der Analyst auf Roadshow

Zusätzlich vermarktet der Sell-Side-Analyst seine Ideen auf sogenannten Analysten-Roadshows, auf denen man mit Buy-Side-Analysten und Portfoliomanagern über zukünftige Entwicklungen des Sektors, von Unternehmen sowie deren finanzwirtschaftlichen Implikationen diskutiert. Darüber hinaus versucht der Sell-Side-Analyst, Unternehmen über sogenannte Corporate Roadshows, zu denen man eine besonders ausgeprägte Meinung hat, direkt bei Investoren zu vermarkten. So kann er den Kontakt zwischen Unternehmen und Investor herstellen. Letztlich sind Sell-Side-Analysten auch beliebte Ansprechpartner für Presseinterviews.

Auch bei M&A-Deals gefragt

Zu den Nebenaufgaben eines Sell-Side-Analysten gehören die enge Zusammenarbeit mit der Primärmarktseite des Investment Bankings in Bezug auf die Einschätzung von möglichen Equity Stories zukünftiger Börsenkandidaten sowie die Mithilfe bei IPO-Pitches. Darüber hinaus ist der Sell-Side-Analyst hausintern in seiner Meinung bei Unternehmens- oder Projektfinanzierungen sowie möglichen M&A-Deals gefragt.

Typischer Tagesablauf im Büro

Der Tag beginnt in der Regel zwei bis eineinhalb Stunden vor der Markteröffnung, um kapitalmarktrelevante Informationen aus Tagespresse und den Finanzinformationensystemen rechtzeitig auszuwerten und gegebenenfalls kommentieren zu können.
 
Gegen 8 Uhr findet das Morning Meeting statt, in dem Analysten unterschiedlicher Sektoren ihre Kommentierungen zum tagesaktuellen Nachrichtenfluss abgeben oder davon losgelöste Investmentideen an die hausinterne Salesforce vermarkten. Im Nachgang erfolgt das schnelle Verfassen von schriftlichen Kommentaren (Morning Notes) für die Kunden, die im Laufe des Tages auch direkt vom Analysten per Telefon an mehr oder weniger spezialisierte BuySide-Analysten und Portfoliomanager vermarktet werden. An Tagen ohne nennenswerten Nachrichtenfluss widmet sich der Analyst der Pflege seiner Finanzmodelle sowie dem Verfassen von Sektor- und Unternehmensstudien.

Akademische Anforderungen

Obwohl der Berufsstand von Wirtschaftswissenschaftlern dominiert wird, gibt es grundsätzlich kein Referenzstudium, welches den Absolventen für den Beruf des Sell-Side-Analysten prädestiniert. Generell sollte ein zukünftiger Analyst über fundierte Kenntnisse finanzwirtschaftlicher Bewertungsmethoden und volkswirtschaftlicher Zusammenhänge verfügen sowie ein ausgeprägtes Interesse für den abzudeckenden Sektor mitbringen. Darüber hinaus hängen die erforderlichen Hintergrundkenntnisse vom zu bearbeitenden Sektor ab.

Quereinsteiger mit Hintergrundwissen erwünscht

Während im Pharma-/Life-Sciences-Sektor ein medizinischer oder biologischer Fachhintergrund nahezu unabdingbar ist, ist für etliche andere Sektoren (Tech, Telco, Engineering, Utilities, Energy) ein technischer Hintergrund oder zumindest eine technische Affinität wünschenswert. Für andere Sektoren (Autos, Transport, Rohstoffe, Lifestyle, Construction, Financials) wäre wiederum eine eher volkswirtschaftliche Ausrichtung von Vorteil. Somit gestalten sich Analystenteams interdisziplinär. Häufig finden sich unter den Sell-Sidern aber auch Quereinsteiger aus der Beratung oder der Wirtschaftsprüfung mit dem entsprechenden sektorspezifischen Hintergrundwissen.

Soft Skills

Da das Berufsbild des Sell-Side-Analysten äußerst vielschichtig ist, sind ebenso vielschichtige Fähigkeiten gefragt. Zum einen verlangt der Beruf ausgeprägte analytische Fähigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die finanzmathematische Modellierung von Unternehmenswerten. Hier ist zudem eine gewisse Querdenkerfähigkeit gefragt, um Trends aus anderen Sektoren und Unternehmen zu erkennen und zu übertragen. Zum anderen sind aufgrund des fast täglichen Kontakts mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Kunden (hausinterne Vermarktung, Analysten-Calls, Analysten-Roadshows) starke Vermarktungsfähigkeiten und eine gehörige Portion Selbstdarstellung notwendig. Letztlich sollte sich der Analyst kritikfähig zeigen können, sich aber auch schnell ein dickes Fell zulegen, da er häufig konträre Meinungen vertreten muss und schnell angreifbar werden kann, wenn Investmentideen nicht aufgehen.
 
Für das regelmäßige Verfassen von morgendlichen Kurzkommentaren sowie von längeren Studien sollte es dem Sell-Side-Analysten nicht schwerfallen, Fakten und Meinungen schnell, konkret und leicht verständlich zu Papier zu bringen. Dabei ist korrektes Englisch in Wort und Schrift unabdingbar. Weitere Fremdsprachenkenntnisse sind für bestimmte Kunden sicher hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich.

Berufsexamen

Früher oder später muss sich der Research-Analyst mit dem Ablegen eines Berufsexamens für Finanzanalysten auseinandersetzen. Zur Auswahl stehen das global ausgerichtete Examen zum CFA (Chartered Financial Analyst) des CFA Institute (Virginia), das über drei Jahre im Selbststudium zu absolvieren ist oder der im deutsch- und französischsprachigen Raum verbreitete Abschluss zum CEFA (Certified European Financial Analyst) der DVFA (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse & Asset Management), auf dessen Prüfung innerhalb eines Jahres durch Präsenzveranstaltungen vorbereitet wird. Die Entscheidung für die eine oder andere Variante hängt von zeitlichen und Marktpräferenzen sowie der Art des Lernverhaltens ab.

Die Wahl des Brokers

Während man bei deutschen Brokern sehr schnell in die Verantwortung genommen wird und den Job des Research-Analysten mit allen seinen Facetten ausfüllt, muss man beim Einstieg bei angelsächsisch geprägten Brokern häufig eine kleinere "Ochsentour" durchlaufen. Hier arbeitet man vorerst einige Jahre einem Senior-Analysten zu, indem man sich vornehmlich mit Modellpflege und intensivem Sektor-Research befasst, während der entsprechende Senior die Kapitalmarktarbeit und Roadshows bestreitet.

© Dieser Artikel ist zuerst im Buch Perspektive Investment Banking & Asset Management erschienen.

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