IT-Konzerne: Techbranche bremst bei Neueinstellungen

Autor*innen
Christof Kerkmann
Zwei Hände, die sich gegenseitig zum Händedruck greifen. Eine der Hände kommt eher von oben.

SAP, Microsoft, Google und nun auch Apple: Die Technologiebranche hat von der Pandemie profitiert, stellt sich nun aber auf einen Abschwung ein.

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Am Wochenende schmiss SAP mehrere große Partys – an zahlreichen Standorten in aller Welt feierte der Softwarehersteller sein 50-jähriges Jubiläum, Tausende Mitarbeiter und Angehörige waren eingeladen.

Ansonsten ist das Management derzeit aber nicht besonders spendabel: Das Team um Vorstandssprecher Christian Klein hat kürzlich einen Einstellungsstopp verfügt und Geschäftsreisen deutlich eingeschränkt.

Der Konzern begründet die Vorgabe damit, dass er "die wirtschaftlichen Herausforderungen mit den eigenen Umsatz- und Renditeprognosen in Einklang" bringen will, wie er auf Handelsblatt-Anfrage erklärte. Offenbar läuft das Geschäft angesichts von Konjunkturkrise und Inflation nicht so gut wie erhofft. Details dürften am Donnerstag die Zahlen fürs zweite Quartal offenlegen.

Mit dieser Vorsichtsmaßnahme ist SAP allerdings nicht allein. Technologieunternehmen von Microsoft und Salesforce über Nvidia und Tesla bis hin zu Meta und Google haben ebenfalls Einsparungen angekündigt. Erst am Montag sickerte durch, dass Apple die Kosten strikter kontrollieren will.

Die Technologiebranche, die stark von der Coronapandemie profitiert hat, bereitet sich auf ungemütliche Zeiten vor. Die Börse nimmt die Entwicklung bereits vorweg: Der Index Nasdaq Composite, in dem überwiegend US-amerikanische Technologieanbieter gelistet sind, hat seit Jahresbeginn fast 30 Prozent an Wert verloren.

Seit Mai ist Apple im Ranking der wertvollsten Konzerne der Welt nur noch die Nummer zwei hinter Saudi-Aramco. Und die SAP-Aktie steht mit knapp 88 Euro auf dem tiefsten Stand seit 2019.

Bei SAP haben kürzlich Vorstandssprecher Christian Klein und Personalchefin Sabine Bendiek die Belegschaft auf Sparsamkeit eingeschworen. So sollen Neueinstellungen ins nächste Jahr verschoben werden. Ausnahmen sind nach Aussage von Insidern nur mit Zustimmung der Führungsebene unterhalb des Vorstands möglich. Im ersten Quartal stieg die Mitarbeiterzahl noch kräftig um 2.500 auf 110.000.

Große Arbeitgeber: Zahl der Mitarbeiter von Tech-Konzernen weltweit [© Handelsblatt]

Keine Geschäftsreisen, keine teuren Notebooks

Schon seit April werden Geschäftsreisen ohne Kundenbezug nur noch eingeschränkt erlaubt. Bereits geplante Trips dürfen stattfinden, ansonsten ist die Zustimmung des Chefs notwendig, wie mehrere Mitarbeiter berichten. Der Vertrieb kann damit weiter wie gehabt arbeiten. Alle anderen müssen sich jedoch bis zum nächsten Jahr gedulden.

Die Sparpolitik macht sich auch bei der Beschaffung bemerkbar. So berichten Entwickler, dass derzeit keine Notebooks für mehr als 2000 Euro genehmigt werden. Das Problem: Die Softwareexperten benötigen sehr leistungsfähige Systeme, um mit der Datenbanktechnologie Hana arbeiten zu können, die Grundlage aller SAP-Anwendungen ist. Mit Hardware unterhalb dieser Schwelle sei das problematisch, heißt es.

Ein Schock sind die Maßnahmen für die Belegschaft aber nicht. "Solche Sparprogramme kennen wir aus der Vergangenheit", sagte der Betriebsratsvorsitzende Eberhard Schick dem Handelsblatt. "Wahrscheinlich will man damit die ausgegebenen Renditeziele sicherstellen." Die Rendite ist für die SAP-Investoren eine entscheidende Kennzahl.
Unbequem sind die Sparmaßnahmen trotzdem, etwa weil Stellen nur noch intern nachbesetzt werden dürfen. In Kreisen der Arbeitnehmervertreter wird zudem die Kritik laut, dass die langfristige Personalplanung erschwert werde.

Schick verwies zudem darauf, dass die aktuelle Coronasituation es zwar zulasse, dass sich Teams nach langer Zeit wieder persönlich treffen, das Sparprogramm das jedoch verhindere. "Dies ist bedauerlich insbesondere angesichts der Prognosen, dass im Herbst die nächste Welle kommen könnte."

Techniktalente sind allerdings weiter gefragt

Die aktuelle Situation belastet indes viele Technologieunternehmen. Dan Bieler, Analyst beim Marktforscher Forrester, sieht mehrere Gründe: verunsicherte Verbraucher, Sorgen vor steigenden Zinsen, Engpässe in den Lieferketten, dazu individuelle Faktoren, etwa die wachsende Konkurrenz.

"Big Tech" nutze die Situation, "um Ressourcen in Bereiche mit höherer Priorität zu stecken und somit das Kerngeschäft zu stärken", sagte Bieler dem Handelsblatt. Umfangreiche Entlassungen sind bislang allerdings die Ausnahme. Techniktalente seien in vielen Konzernen weiter gefragt, betonte der Analyst.

Beispiel Meta: Der Mutterkonzern von Facebook, Instagram und Whatsapp leidet darunter, dass in der Wirtschaftskrise die Werbebudgets schrumpfen, zudem machen ihm die Konkurrenz durch Tiktok und die neuen Datenschutzregeln von Apple zu schaffen.

Das Management will deswegen weniger Softwareentwickler einstellen – laut der Nachrichtenagentur Reuters immerhin noch 6.000 bis 7.000 – und den Leistungsdruck auf die Mitarbeiter erhöhen. Es gebe einige Leute in der Firma, die nicht dort sein sollten, sagte Konzernchef Mark Zuckerberg dem Bericht zufolge in einem internen Meeting.

Auch Alphabet stellt wegen der ökonomischen Unsicherheit weniger Mitarbeiter ein als geplant. CEO Sundar Pichai schwor die Mitarbeiter des Google-Mutterkonzerns darauf ein, unternehmerischer, fokussierter und "hungriger" zu arbeiten. Bei Microsoft muss immerhin das Management Einstellungen zustimmen.

Zudem normalisiert sich für die Profiteure der Coronapandemie das Geschäft. So berichtete Amazon, dass die Lagerhäuser überbesetzt seien. Der Onlinehändler reduziert daher die Ziele für den Personalstand, die hohe Fluktuation dürfte dabei helfen. Netflix wiederum leidet sowohl unter der Rückkehr ins Büro als auch unter der wachsenden Konkurrenz und streicht deswegen Stellen.

Bislang sind die Maßnahmen der großen Technologiekonzerne jedoch vergleichsweise moderat. Drastischer geht es bei Start-ups zu. Der Finanzdienstleister Klarna und die Krypto-Handelsplattform Coinbase beispielsweise streichen Hunderte Stellen, weil ihnen das Geschäft wegbricht. "In der Start-up-Szene ist das heiße Finanzierungsumfeld der letzten Jahre entschieden abgekühlt", sagte Bieler. Partys wie bei SAP sind dort undenkbar.

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