Weltreise: Nach dem Abi um die Welt

Autor*innen
Isabella Naujoks
Frau streckt die Arme nach oben, die Hände zur Metalhand geformt. Ihr Kopf ist durch einen freigestellten offenen Mund ersetzt.

Nach dem Abitur ist die Gelegenheit günstig, sich im Ausland umzusehen – so wie e-fellows.net-Stipendiatin Isabella. Sie ging acht Monate lang auf Weltreise. Hier schreibt sie über ihre Erfahrungen, Tipps für "Nachahmer:innen" – und warum jeder seine Sachen packen und losziehen sollte.

Zeit für einen Tapetenwechsel? Das dachte ich mir auch, kaum hatte ich mein Abitur in der Tasche. Nach dem Motto "Nichts wie weg hier!" habe ich meinen Rucksack gepackt und bin ins Flugzeug gestiegen. Doch statt an einem Ort Work & Travel oder ein FSJ zu machen, bin ich immer weiter der Sonne und dem Sommer nachgereist: in acht Monaten einmal um die Welt.

e-fellows.net-Stipendiatin Isabella (21) kommt aus Dortmund und machte 2011 ihr Abitur. Nach ihrem Auslandsjahr hat sie ihr Jura-Studium in Hamburg begonnen. Die nächste Reise ist schon geplant: Im Juli geht es für ein Semester nach Kapstadt. Ihre Erfahrungen auf Weltreise hat sie im Buch "Abi und dann weg" festgehalten.

Die Planung

Ganz so einfach war es leider doch nicht. Von wegen Kofferpacken und ins Flugzeug hopsen! Pauschale Weltreisen, die man bei Reiseveranstaltern buchen kann, kamen für mich von Anfang an nicht in Frage. Individuell reisen finde ich tausendmal besser, dafür auch umso anspruchsvoller. Zuerst hatte ich die Qual der Wahl: Es stehen, je nach Definition, fünf bis sieben Kontinente zur Auswahl, es gibt ungefähr 206 Länder, in denen fast bis zu 7.000 Sprachen gesprochen werden. Puh! Wie soll man sich denn da entscheiden?

Am Ende lief es bei mir ein bisschen so, wie es immer läuft. Man kennt jemanden, der wiederum jemanden kennt, der hier und da war und dies und jenes gemacht hat ... Die Tipps habe ich mit den Ländern abgeglichen, die ich schon immer faszinierend fand, und fertig war die Reiseroute. Mein Plan: Von Asien nach Australien und Neuseeland, dann in die USA – mit einem gesunden Mix aus Freiwilligenarbeit, Praktika, Work & Travel und einfach nur reisen.

Meine Eltern waren wenig begeistert von der Idee, ihre Tochter allein um die Welt ziehen zu lassen, deswegen musste ich sie mit einem wasserfesten Plan überzeugen. Monatelang kämpfte ich mich durch diverse Internetforen (Wie kommt man vom Kathmandu nach Pokhara in Nepal? Wo gibt es das beste Hostel in Bangkok? Was macht man bei Malaria?), lernte die Reisetipps vom Auswärtigen Amt quasi auswendig und informierte mich über Impfungen. Vor dem Abflug hatte ich dann doch ein bisschen Muffensausen – will ich das wirklich machen? Mit 18 Jahren alleine eine Weltreise? Aber ja! Wenn ich einmal einen Entschluss gefasst habe, dann ziehe ich das auch durch.

Ich bin dann mal weg!

Nach einem – natürlich – tränenreichen Abschied in Deutschland landete ich in einer komplett neuen Welt. Nepal, das Dach der Welt! Mit Mäusen und Vögeln teilte ich mir ein kleines Zimmer in einem Kinderheim in der Nähe des Wanderparadieses Pokhara. Von meinem Fenster aus sah ich den berühmten Berg Machhapuchchhre (auf deutsch "Fischschwanz"), einen vielen der Sieben- und Achttausender des Himalaya-Gebirges. Wenn mich das Stöhnen der Büffel, die frühmorgens gemächlich über die Straße trotteten, nicht schon um 6 Uhr geweckt hatte, dann war ich spätestens mit dem Erwachen der 25 Waisenkinder putzmunter. Anders ging es einfach nicht: Bei den vielen "Miss! Miss!"-Rufen hätte ich mich am liebsten gevierteilt. Zugegeben: Eine große Hilfe war ich den Hausmüttern nicht. Neun Monate des Jahres kommen sie auch ohne Freiwillige klar. Jedoch waren ein paar tröstende Arme mehr immer gut zu gebrauchen. Daher habe ich die meiste Zeit mit den Kindern verbracht, um Spiele zu spielen, Bollywoodtanz zu üben oder bei den Hausaufgaben zu helfen. Während meines Aufenthalts waren Schulferien, und die Tatsache, dass die Kinder in ihrer freien Zeit jemanden hatten, der nur für sie da war, haben sie sehr genossen.

Nach einem Monat fiel mir der Abschied von den Kindern äußerst schwer. Doch das Lächeln der Kambodschaner:innen machte alles wieder gut. Erneut lebte ich für vier Wochen in einem kleinen Dorf, diesmal nahe der Hauptstadt Phnom Penh, und brachte den Dorfkindern Englisch bei. Nebenbei bot ich als großes, blondes und weißes Mädchen Gesprächsstoff für die folgenden zwei Jahre – mindestens!

In Vietnam, meiner nächsten Station, waren meine zwei größten Herausforderungen das unvorstellbaren Verkehrschaos, das ich mit der Devise "Augen zu und durch" überlebt habe, und – sehr zur Erheiterung diverser Taxi-Fahrer – die vietnamesische (Aus-)Sprache.

Von Australien in die USA

Schweren Herzens verließ ich Südostasien nach insgesamt drei Monaten und kam pünktlich zum Hochsommer in Sydney an. Die nächsten paar Monate führte ich ein typisches Backpackerinnen-Leben: Nachdem ich in Sydney das Surferleben und die Party-Szene von Kings Cross ausgekundschaftet hatte, machte ich den Sprung in das Work & Travel-Traumland Neuseeland. Man hört es immer von anderen Reisenden und es stimmt tatsächlich: Als Backpacker:in ist man nie alleine. Kaum hatte ich den Fuß auf neuseeländischen Boden gesetzt, lernte ich drei weitere Deutsche kennen, mit denen ich mir ein Auto kaufte und für fast drei Monaten über die Inseln tourte. Abenteuer, Pannen und Natur pur vorprogrammiert.

Mit Herbstbeginn tauschte ich den kalten neuseeländischen Zeltboden mit dem warmen südpazifischem Sandstrand: Zwei Wochen lang genoss ich das Paradies auf Erden in Samoa und Fidschi.

Geprägt von all diesen Erfahrungen waren mir die USA, wo ich in der 11. Klasse bereits zehn Monate als Austauschschülerin verbracht hatte, so fremd wie noch nie. Organisiert von dem dortigen Deutschlehrer machte ich ein Praktikum an meiner ehemaligen High-School. Neben der Erfahrung, knapp zwei Jahre jüngere Schüler:innen zu unterrichten, sah ich die USA mit komplett anderen Augen. Als Austauschschülerin fiel mir der unersättliche Konsumdrang der Amerikaner:innen irgendwann nicht mehr auf. Dinge wie die immerlaufenden Klimaanlagen und das ständige Fortbewegen in Autos störten mich zu der Zeit zwar immer. Andere Dinge wurden dagegen fast zur Normalität: der Fernseher, der immer lief; das regelmäßige Essen bei McDonals; die Tatsache, dass alles ständig neu gekauft und sich so wenig gefreut wurde. Nachdem ich besonders in Asien erlebt hatte, wie Menschen die kleinsten Kleinigkeiten wertschätzten und mit so wenig im Leben zufrieden waren, machten mich die Unersättlichkeit und gleichzeitige Übersättigung der Amerikaner:innen wahnsinnig. Über die Rücksichtslosigkeit und den Egoismus, mit dem viele leben, konnte ich nicht mehr so einfach hinwegsehen.

Wieder zurück

Am Ende meiner Reise wusste ich nicht recht, ob ich mich auf Deutschland freuen oder das Ende meiner "Weltreise" betrauern sollte. Die Eingewöhnungszeit war schwer, und das Schwelgen in Erinnerungen treibt mir auch jetzt noch (Glücks-)Tränen in die Augen: Die Momente, in denen man trotz der bitterlichen Armut eine unglaubliche Lebensfreude und Herzlichkeit in den Augen der Menschen sieht. Oder wenn einem nach einem wahnsinnig anstrengenden Wandertag die letzte Ration Essen vom Campingkocher fällt und außer Lachen nichts mehr hilft. Und die Erinnerungen an die vielen tollen Menschen, die mir diese Reise so einzigartig gemacht haben.

Rückblick

Im Nachhinein ist die Bezeichnung "Weltreise" für das, was ich gemacht habe, übertrieben. Bei der immensen Vielfalt ist es unmöglich, die "Welt" zu sehen. Der kleine Teil, den ich bis jetzt gesehen habe, weckt jedoch unglaublich viel Vorfreude auf mehr.

Ich finde es schade, dass sich nicht mehr Schüler:innen ein Jahr Auszeit nach dem Abi nehmen. Diese acht Monate haben mich um so viele Erfahrungen reicher gemacht: Statt mich zum Beispiel darüber aufzuregen, dass die Straßenbahn schon wieder fünf Minuten später kommt, freue ich mich, dass es überhaupt eine Straßenbahn gibt. Die Probleme der Ersten Welt sehe ich mit ganz anderen Augen. Das Wissen, in komplett fremden Ländern mit einer ganz anderen Kultur klargekommen zu sein, gibt mir eine unglaubliche Sicherheit. Ich gehe entspannt und voller Freude auf mein Studium zu, weil ich diese wunderbare Chance, etwas Besonders aus meinem Leben zu machen, wirklich wertschätzen kann, aber auch weiß, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als 17 Punkte in einer Juraklausur zu schreiben. Und wenn mir der Stress zu viel wird, mache ich einfach die Augen zu und träume mich auf einen Berg in Nepal bei Sonnenuntergang.

Tipps zur Planung

Bei der Reiseplanung gilt es einige Dinge zu beachten. Zuerst einmal hat jedes Land andere Einreisebestimmungen – wo muss man sich vorher um ein Visum kümmern, wo gibt es ein "visa on arrival"? Für die Recherche zu Visa und Sicherheitshinweise kann ich die Website des Auswärtigen Amtes sehr empfehlen.

Die Regenzeiten und verschobenen Jahreszeiten im Ausland können einen auch auf dem kalten Fuß erwischen. Besser vorher informieren, man will ja nicht die ganze Zeit buchstäblich im Regen stehen! Wichtig ist auch, über Krankheiten und Impfungen Bescheid zu wissen. Entweder geht man zum Tropenarzt seines Vertrauens oder macht sich unter www.fit-for-travel.de schlau. Billige Flüge findet man beispielsweise über Flugsuchmaschinen.

Wer sich engagieren möchte, sollte sehr genau aufpassen. Viele Veranstalter:innen bieten Freiwilligenarbeit als Massenware an. Dies hat nicht nur den Nachteil, dass man mit einer großen Gruppe anderer Europäer:innen etwas nur scheinbar Nützliches tut, sondern ist auch noch teuer. In Asien hört man zudem viele Horrorgeschichten von vermeintlichen, aber gekauften Waisenkindern, um durch die Errichtung von Waisenhäusern europäische Spender:innen anzulocken. Die Tatsache, dass man für Freiwilligenarbeit Geld zahlen muss, heißt nicht unbedingt, dass es sich um eine "ausbeuterische Organisation" handelt. Denn oft wäre es für die Organisationen deutlich einfacher und auch günstiger, Einheimische statt Ausländer:innen als Hilfskräfte einzustellen. Jedoch sollte man bei jeder bezahlten Freiwilligenarbeit aufpassen, bei welcher Organisation man sich engagiert, damit das Geld nicht bei solchen vermeintlichen Waisenhäusern landet.

Auch für Work & Travel muss man sich nicht unbedingt an eine Organisation wenden. Das Visum zu bekommen ist ein Klacks, und an die Tipps, die einem eine Organisation bereitstellt, kommt man auch vor Ort. Wer allerdings lieber einen festen Ansprechpartner bzw. eine feste Ansprechpartnerin und vielleicht auch eine Einführungsveranstaltung im Work & Travel-Land haben möchte, dem kann ich zum Beispiel "Open Door International" empfehlen.

Und auch wenn das nach diesen ganzen Tipps ein bisschen ironisch klingen mag: Nicht zu viel planen. Zwar malt man sich besonders abends, wenn man wach im Bett liegt, die schrecklichsten Szenarien aus. Mit einer guten Portion an Offenheit und Optimismus, aber auch gesunder Vorsicht, lassen sich jedoch viele schwierige Situationen regeln. Und wenn man nicht jeden Tag schon im Voraus durchgeplant hat, kann man sich viel flexibler von den Tipps anderer Reisender leiten lassen und seine Zeit genießen.

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