Studieren in Greifswald: Viel mehr als eine Stadt in der Zone

Das Stadtzentrum von Greifswald

Eben noch ein milder Herbsttag, jetzt hängen dicke, graue Wolken über meinem Zimmerhimmel. Der ZVS-Bescheid ist soeben eingetroffen. Studienort: Greifswald.

Papa beginnt sich zu fragen, welche Auswirkungen das wohl auf meine Karriere haben wird. Mama lächelt gequält. Greifswald ist für sie und viele andere immer noch eine Stadt in der Zone. Plattenbauten, Trabbies und Ampelmännchen waren aber noch nie alles, was diese etwa 54.000 Einwohner:innen zählende Stadt zu bieten hat. Vielleicht sollte man also jemanden fragen, der sich damit auskennt: In diesem Fall ist es "moritz", der gute Geist der Ernst-Moritz-Arndt-Universität und Maskottchen der studentischen Medien. Aus seiner Sicht ist Greifswald vielmehr eine Universität mit Stadt, Strand, Dom und Hansehafen.

Betreuung und andere Verhältnisse

Etwa jeder fünfte Greifswalder studiert und etwa ein Zehntel der Einwohner arbeiten in, um und an einer der ältesten deutschen Universitäten (seit 1456). Die entsprechend individuelle Betreuung, so wie fach- und fakultätenübergreifender Umgang bei Lehrenden und Lernenden zählen trotz miserabler Finanzlage immer noch zu den Stärken der Greifswalder Alma Mater. Dies verdeutlichen auch die zahlreichen Spitzenplatzierungen vor allem bei "studentischen" Rankings.

Auf Greifswald zugehen

Oft zitiert, hört jeder Erstsemester folgenden Satz: "Man weint zweimal in Greifswald: Einmal wenn man kommt und einmal, wenn man wieder geht." Auf die ersten Schrecksekunden folgt der große Erleichterungsseufzer. Wer hier studiert, fühlt sich spätestens heimisch, wenn er nach der Erstsemester-Woche viele Kommiliton:innen kennt und sich die Professor:innen bei "Herrn Kopitzki" in die Kassenschlange reihen.

Von Hütten und Palästen

Der Weg vom Uni-Hauptgebäude in der Rubenowstraße bis zur Mensa führt vorbei an diversen Fakultätsgebäuden, Dom, Rathaus, Post und Marktplatz. In der fast komplett sanierten Innenstadt fällt nur ab und an noch ein grauer Häuserblock mit zerbrochenen Fensterscheiben auf. Renovierte Altstadtwohnungen sind daher so begehrt wie teuer. Aus diesem Grund sollte man mit der Suche nach der richtigen Wohnung schon so früh wie möglich beginnen. Verlässt man das Städtchen Richtung Ostsee, genauer gesagt: Greifswalder Bodden, wachsen die "Neubausiedlungen" – westdeutsch: "Platte" – in den Himmel. Sie sind aber nicht ganz so hoch und hässlich, wie man befürchtet. Einige werden als Wohnheime für Studierende genutzt. Neben Internetstandleitungen bieten sie den Vorteil, mit rund 1.000 Studis in derzeit sechs Wohnheim-Anlagen unter einem Dach zu wohnen.

Eastcoast und Northside Flavour

War Greifswald für die Elterngeneration noch das Ende der westlichen Welt, ist es heute wieder zum Tor gen Osten geworden. Die geografische Lage – Südschweden, Ostfrankreich, Preußen, Hanse, DDR, Neufünfland, Mittelpunkt der EU – hat Forschung und Lehre an der EMAU weniger behindert als beflügelt. Gerade in Zeiten der EU-Erweiterung liegt der Forschungsschwerpunkt Ostseeraum wieder hoch im Kurs. Viele Professor:innen vertieften die Kontakte zu den skandinavischen Ländern, zu Polen und dem Baltikum durch speziellen Bezug zum Forschungsschwerpunkt Ostseeraum. Auch die Studierenden haben diesen Standortvorteil erkannt und führen alle zwei Jahre das Greifswalder International Students Festival (GrIStuF) durch. Dabei diskutieren und feiern Ghanaer:innen mit Isländer:innen, Chilen:innen mit Koreaner:innen. Gleichzeitig ist die Universität in ihrer Heimat stark verwurzelt und versteht sich als Kooperationspartnerin des Wirtschaftsstandorts Vorpommern.

Greifswald entwickelt sich gut

Die von Haushaltskürzungen des Landes gebeutelte Uni beschreitet erfolgreich immer wieder neue Wege. Auf dem hochschulpolitischen Parkett der EU ist die Greifswalder Universität immer wieder Vorreiterin, Musterschülerin und Aushängeschild. Schon seit dem Wintersemester 1999/2000 können Studierende in über 50 Fächern den Bachelor und weiterführende Master-Abschlüsse erwerben. Die Studierendenzahlen stiegen seit der Wende kontinuierlich auf über 12.000. Gerade neue Studiengänge erfordern in den ersten Semestern Pioniergeist, doch die aktiven Studierendenvertreter kurieren die meisten Kinderkrankheiten meist schnell.

Students crossing

Dem/der verwöhnten Großstädter:in mag das Freizeit- und Kulturangebot dürftig erscheinen, trotzdem ist Greifswald in vieler Hinsicht studentischer als andere Städte. So erfreut sich die Studierendenschaft einer der wenigen Ost-Reliquien: Studi-Clubs. Das Bild bestimmt der "Mensa-Club", der tanzwillige Studiosi mit billigem Eintritt und billigem Bier lockt. Für die Filmliebhaber:innen gibt es jeden Sonntag das Mensa-Kino oder jeden Mittwoch die English Movie Night. Nicht zu vergessen die anderen Clubs: Freitags die beiden Geokeller, Mittwochs die Kiste und Donnerstags die Mensa. Und für die Wartezeit empfehlen sich die Studentischen Medien mit flying-moritz, dem Veranstaltungskalender, moritz, dem Studierendenmagazin und moritz-TV über Kabel.

Sommer, Sonne, Strand und mehr

Wirklich reizvoll ist die Nähe zur Ostsee. Wer Surfen, Segeln oder Rudern will, ist in Greifswald goldrichtig. Die wunderschönen Inseln Rügen und Usedom liegen vor der Haustür. Wer da im Sommer die Gelegenheit für Sonne, Strand und Baden nicht nutzt, ist selbst Schuld. Wenn du nur kurz nach der Vorlesung ein kühles Bad nehmen willst, erreichst du mit Rad oder Bus in fünfzehn Minuten das Strandbad Eldena. Der kurze Weg zum Strand und die vielen Sonnenstunden, aber auch die aktive Studentenclubszene bescherten der Ernst-Moritz-Arndt-Universität (liebevoll EMAU genannt) bereits den Ruf: studieren, wo andere Urlaub machen.

Rechtsextreme Tendenzen?

Leider macht Greifswald auch negative Schlagzeilen. Größere Probleme ergeben sich meist aus über 10 Prozent Arbeitslosigkeit und den leeren Haushaltskassen von Stadt und Land. Neben NPD-Demos brachten auch tot geprügelte Obdachlose Greifswald in Verruf. Doch in den letzten zwei Jahren überwogen dann doch wieder die Meldungen über Erfolge der Polizei und die 20 Mal größeren Gegendemos. Statt Springerstiefeln dominieren jetzt Velotaxis das Stadtbild, die Welt scheint wieder in Ordnung, auch wenn nach jedem geklauten Fahrrad wieder gegen Pol:innen gewettert wird.

Erste Hilfe

Erste Hilfe bekommst du im "moritz - Universitätsführer" der Studentischen Medien. Als Erstsemestler bekommst du ihn und auch persönliche Beratungen kostenlos beim AStA im Audimax oder unter www.asta-greifswald.de.

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