Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Bolivien: Zwischen Paradies und Krankenhaus

Eine Frau steht mit einem Staubsauger auf einer Erdkugel, auf der Müll liegt.

Benjamin ist Lehrer, Müllbeauftragter, Arzthelfer und IT-Berater – zumindest für ein Jahr. Statt seinen Zivi zu Hause abzuleisten, ist er als Freiwilliger in ganz Bolivien unterwegs. Dabei arbeitet er an so paradiesischen Orten wie der Sonneninsel im Titicacasee. Die Aufgaben sind meist weniger paradiesisch, dafür umso herausfordernder.

Als ich von der Möglichkeit gehört habe, den Zivildienst im Ausland zu abzuleisten, stand für mich fest: Ich arbeite "abroad"! Zusammen mit 17 anderen Zivis aus ganz Deutschland nehme ich am Freiwilligendienst in Boliven teil. Organisiert wird das Ganze von Volunta, einer Gesellschaft des Deutschen Roten Kreuzes, in Kooperation mit Hostelling International Bolivia (HI Bolivia). Mit dem Jahr in Bolivien erfülle ich mir drei Wünsche: ein neues Land kennenlernen, Spanisch lernen und zwischen Schule und Studium etwas anderes machen als pauken.

Benjamin (20) hat Abitur in Husum (Nordfriesland) gemacht. Danach hat er einige Monate lang gejobbt, um sich seinen Traum vom Freiwilligendienst im Ausland zu erfüllen. Bevor er für ein wirtschaftswissenschaftliches Studium nach Deutschland zurückkehrt, ist er in Bolivien in Krankenhäusern und Schulen im Einsatz.

In ganz Bolivien unterwegs

Der Freiwilligendienst bei HI Bolivia unterscheidet sich von vielen anderen Diensten im Ausland. Die Organisation hat viele Einsatzorte im ganzen Land, in denen ganz unterschiedliche Arbeiten verrichtet werden. So ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein Freiwilliger innerhalb eines Jahres von 4.000 Metern Höhe bei La Paz ins Tiefland nach Santa Cruz wechselt und von der ländlichen Schule ins großstädtische Krankenhaus. Drei Einsatzorte mit jeweils drei Monaten Aufenthalt sind vorgesehen, sodass drei Monate des einjährigen Einsatzes für Sprachkurs und Ferien übrigbleiben.

Erst die Arbeit, dann das Auslandsjahr

Ein Wermutstropfen des Freiwilligenprogramms ist, dass ich es praktisch komplett selbst finanzieren muss. Zwar sucht man sich vor dem Einsatz einen sogenannten Unterstützerkreis, der durch Spenden den Einsatz finanziert. In der Realität muss aber ein Großtteil der Freiwilligen auch in die eigene Tasche greifen. Die Finanzierung läuft folgendermaßen: Ich spende monatlich etwa 380 Euro an Volunta. Dafür bekomme ich vor Ort Unterkunft und Verpflegung. Die Flüge muss ich selbst bezahlen. So habe ich nach dem Abitur erst einmal ein paar Monate lang gejobbt, um das Geld zusammenzubekommen.

Vom Abiturient zum Lehrer

Ich habe bisher zwei Einsatzorte besucht. Auf der Sonneninsel im Titicacasee wurde die Arbeit zum Vergnügen. Der Blick über den See ließ mich denken, ich sei im Paradies. In der Schule im Zentrum der Insel holte mich die Realität dann umso schneller wieder ein: Dort mangelt es vor allem an (qualifizierten) Englisch-, Computer-, Mathe-, und Sportlehrer:innen. Die Arbeit der Freiwilligen wird also dringend benötigt.

Job: Müllbeauftragter

Nach Schulschluss widmete ich mich vor allem dem "Müll-Projekt": Dazu gehörte neben dem Bau eines großen zentralen Müllcontainers auch die Organisation des Abtransports und des Recyclings sowie eine umfangreiche Aufklärungskampagne.

In zwei Wochen zum Arzthelfer

Inzwischen bin ich in Sucre, der konstitutionellen Hauptstadt des Landes. Vormittags arbeite ich in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Nachdem ich zwei Wochen den Ärztinnen und Ärzten über die Schulter geschaut habe, arbeite ich mittlerweile sogar selbst mit Patient:innen. Ich reinige zum Beispiel alte Operationswunden, ziehe die Fäden und verbinde die Wunden neu.

IT-Berater am Busterminal

Für den Nachmittag habe ich mir eine Vielzahl von Projekten ausgesucht. Zum einem gebe ich Englischunterricht in Form einer Abendschule. Dafür habe ich auch ein eigenes Lehrbuch konzipiert, das speziell auf die Bedürfnisse der Schüler:innen abgestimmt ist, die alle aus dem Tourismussektor kommen.

Zudem arbeite ich im Busterminal. Der Busverkehr in Bolivien ist nicht mit dem deutschen vergleichbar. Hier erledigen die großen Busse fast den kompletten Fernverkehr, da Bahnstrecken kaum vorhanden sind und Fliegen viel zu teuer ist. Somit ist das Terminal eher ein Fernverkehrsbahnhof im deutschen Sinne. Ich erstelle einen neuen Fahrplan, der dann auch online zur Verfügung stehen wird. Außerdem unterstütze ich die Busunternehmen beim Einrichten von E-Mail-Accounts und digitalen Buchungssystemen. Ein dauerhaftes Projekt ist die Pflege des Online-Auftritts von HI Bolivia.

Auch für Studierende interessant

HI Bolivia bietet auch Freiwilligendienste außerhalb des "auslaufenden" Ziviprogramms an. Auch Student:innen sind herzlich willkommen, hier einen studienbezogenen Dienst abzuleisten. Das ausgefallenste Projekt, von dem ich bisher gehört habe, ist das eines Orgelbauers, der in den alten Kirchen Boliviens gerade praktische Erfahrung sammelt.

Fazit

Der Freiwilligendienst in Bolivien ist eine Erfahrung fürs Leben, die ich jedem weltoffenen Menschen nur empfehlen kann, der ein faszinierendes Land mit all seinen Eigenarten erleben will.

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