Frauen in Führungspositionen: "Frauen müssen mehr über ihre Erfolge reden"

Autor*innen
Linda Hofmann
Eine Hand hält einen gelben Stern. Symbol für Lob oder eine gute Bewertung.

Mehr Frauen an die Spitzen deutscher Unternehmen – das ist leider immer noch Wunschdenken. Die Statistiken zeigen kein schnelles Vorankommen in dieser Hinsicht. Sie haben täglich mit erfolgreichen Frauen zu tun und den Einblick in zahlreiche Unternehmen aus verschiedensten Branchen. Woran hakt es Ihrer Meinung nach?

Ich finde hierzu diesen Satz von Laura Liswood, der Generalsekretärin des Council of Women World Leaders, großartig: "So etwas wie eine gläserne Decke gibt es nicht, es gibt nur eine dicke Schicht von Männern." In meinem neuen Buch beschreibe ich auch diesen "similar to me"-Effekt. Wir suchen oftmals unbewusst eher unseresgleichen, weil wir uns damit einfach wohler fühlen. Das zeigen auch die Studien. An der Spitze der meisten Unternehmen sitzen nun mal immer noch mehr Männer – die suchen sich in der Regel eher ihresgleichen. Daher mangelt es nach wie vor an Gleichberechtigung. Frauen müssen in der Regel einfach besser sein, damit sie überhaupt eine Chance haben.

Erleben Sie in Ihrer Arbeit Branchen, die besonders stark fördern, dass mehr Frauen in höhere Positionen vorrücken?

Also eine Branche, in der wirklich mehr Frauen an die Spitze kommen, sehe ich in Deutschland tatsächlich noch nicht. Aber es gibt schon Organisationen, die sagen:  "Wir haben das Problem erkannt und möchten ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem alle möglichst gut Leistung bringen können. Weil sie sich eben auch wohlfühlen bei uns." Damit ist eine Arbeitskultur gemeint, die zum Beispiel frei von sexistischen Sprüchen ist und Ähnliches. Aber entscheidend ist trotzdem immer, wie das von der Spitze vorgelebt wird. Das heißt, Frauen sind darauf angewiesen, dass die Organisationsspitze das wirklich vorantreibt.

Inwiefern können Personaler Einfluss darauf nehmen, dass mehr Frauen ins Unternehmen kommen und Aufstiegschancen haben?

Personalabteilungen haben natürlich beim Recruiting Einfluss. Wenn es um die geht, die überhaupt ins Unternehmen hineinstarten. Da ist es als Recruiterin oder Recruiter wichtig, sich bewusst zu machen: Mit welchen Vorurteilen bin ich vielleicht unterwegs, welche Stereotype habe ich im Kopf? Wenn jemand etwas schüchterner auftritt: Hake ich nach und versuche, die Person wirklich aus der Reserve zu locken? Stelle ich Fragen, damit die Kandidatin oder der Kandidat auch die Chance hat, etwas von sich zu erzählen? Hier ist der Haupthebel.

Wie hilft Ihr Buch jungen Frauen, Karriere zu machen?

Es soll jungen Frauen vor allem Mut machen. In dem Buch finden sie konkrete Tipps, wie sie sich das Leben leichter machen können, wenn sie etwas erreichen wollen. Mir ist wichtig, mit diesem Buch nicht nur zu sagen: Die Welt ist noch ungerecht. Sondern konkrete Hilfestellungen zu geben und Lösungsvorschläge zu beschreiben, wie man mit schwierigen Situationen umgehen kann. Wie man es geschickt machen kann im Arbeitsalltag.

In Ihrem Buch geht es viel um die Kommunikations-Spielregeln in Unternehmen. Sind diese nach wie vor "männlich" geprägt und was müssen Frauen da beachten, um voranzukommen?

Unsere Arbeit geht ja immer in die Richtung, die Frauen zu stärken – in ihrer Persönlichkeit und so wie sie eben sind. Mein Kernpunkt ist zu vermitteln, dass alle Gruppen Regeln haben. Und wenn ich bei einer Organisation mitmachen möchte, dann ist es wahnsinnig wichtig, diese Regeln zu verstehen. Denn dann kann ich mich mit meiner Persönlichkeit dazu verhalten. Ich erlebe immer wieder, dass vielen diese Regeln gar nicht so bewusst sind, weil sie auch wenig vermittelt werden.

Zum Beispiel auch dieses: "Man leistet, aber man spricht da nicht drüber." Ich trainiere jetzt seit 15 Jahren mit Frauen und das sind in der Regel Frauen, die wirklich gut sind. Die allermeisten haben es auch schon zu etwas gebracht. Und trotzdem fällt es vielen wahnsinnig schwer, über ihre Erfolge zu reden und diese zu benennen. Dieses Nicht-darüber-Sprechen ist wirklich sehr verankert und hängt mit Sicherheit mit der Erziehung zusammen. Davon müssen die Frauen sich befreien. Es geht nicht darum, anzugeben. Sondern es geht darum, Fakten zu benennen. Ruhig und sachlich meinen Anteil am Teamerfolg klarzumachen.

Ist das auch sehr kennzeichnend beim Auftreten von Frauen in Bewerbungsgesprächen?

Auch dort muss man selbstbewusst deutlich machen, dass man sich weiterentwickeln will. Ich hatte mal einen Fall bei einer großen Bank. Da ging der Abteilungsleiter und dann wurde die Stelle neu besetzt – extern. Die Teamleiterin war ganz empört und hakte beim Bereichsleiter nach, warum ihr die Position nicht angeboten wurde. Sie mache hier doch seit Jahren einen guten Job. Da fragte der Bereichsleiter zurück, warum sie nie etwas gesagt habe. Hätte er geahnt, dass sie den Job wolle, hätte er ihn ihr selbstverständlich gegeben. Er war einfach der festen Annahme, sie wolle ihn nicht. Es ist also wichtig, solche Dinge auch zu formulieren.

Sie beraten hauptsächlich Frauen, die schon in Führungspositionen sind, betreiben aber auch Führungsnachwuchsarbeit. Wie erleben sie die jungen Frauen, die nach oben wollen? Welche Veränderungen zeichnen sich da ab?

Es gibt heute sehr viele gut ausgebildete Frauen. Was ich aber auch wahrnehme, gerade bei sehr jungen Frauen: Dass sie oftmals doch sehr kalt von der Realität in den Organisationen Unternehmen erwischt werden. Eine junge Frau fühlt sich heute ja erstmal komplett gleichberechtigt, was toll ist. Wenn sie zur Schule geht, wenn sie studiert. Aber wenn man dann eine wissenschaftliche Karriere anstrebt oder mit Abschluss in ein Unternehmen kommt, dann erleben eben viele:  So richtig gleichberechtigt ist es eben doch noch nicht. Ganz oben sehe ich keine Frauen. Der Ton ist irgendwie merkwürdig. Warum wird mir angeraten erstmal einen Seitschritt zu machen, während der Kollege gleich befördert wird?

Letztens hatte ich eine junge Frau im Seminar, die ganz perplex war. Sie hatte in einem gemischten Team angefangen, wie das heutzutage vielfach der Fall ist. 50 Prozent, die eingestellt worden waren, waren Frauen, 50 Prozent waren Männer. Nach einem Jahr hat sie dann festgestellt, dass die jungen Männer sich gehaltlich schon viel besser entwickelt hatten als sie.

Liegt das auch daran, dass sich Frauen oft nach wie vor in Gehaltsverhandlungen zurückhaltender zeigen?

Meine Erfahrung ist, dass Männer sehr offen über das Thema Gehalt sprechen, sich austauschen, sich Tipps holen. Frauen denken, diese Gespräche passieren automatisch. Das tut es aber eben in der Regel nicht. In den allermeisten Unternehmen muss ich als Frau selbst aktiv werden. Ich empfehle immer, sich mit Kollegen auszutauschen. Sich Tipps und Informationen zu holen und mit den Kollegen zu sprechen. Allerdings fragen Sie besser nicht: "Wie viel verdienst du?" – denn darüber reden die wenigsten. Sondern: "Was glaubst du eigentlich, wie hoch ist das Gehalt von Alexander?", "Welche Sonderzulagen und Vergünstigungen gibt es eigentlich im Unternehmen?".

Wäre das ein Ansatz: Bei der Bezahlung transparenter zu sein, wenn ich als Personaler mehr diverse Teams aufbauen möchte?

Der allerwichtigste Ansatz wäre, als Personalabteilung sicherzustellen, dass Frauen im Unternehmen beim Gehalt nicht benachteiligt werden. In meinem Buch finden Sie das Beispiel eines Personalers, der sagte: "Ach, wegen 200 Euro Gehaltsunterschied machen wir kein Fass auf". Wenn ich die 200 Euro aber aufs Leben hochrechne, dann kommt ganz schön was zusammen. Natürlich gilt auch hier: Eine Personalabteilung kann nur das machen, was die Geschäftsführung auch unterstützt. Aber da könnten Personaler natürlich Überzeugungsarbeit leisten: Gleichberechtigung bei der Entlohnung ist im Jahr 2021 ein wichtiges Signal im Unternehmen.