Hochbegabung und Karriere: Schlauer als der Chef: Karriere mit Hochbegabung

Autor*innen
Karin Joder
Ein Abrund wird von einer riesigen Glühbirne überbrückt, die von einem Mann gehalten wird. Eine Frau mit Aktentasche überquert den Abgrund mit Hilfe der Glühbirne.

Zu begabt für den Job? In der Arbeitswelt und an der Uni leiden manche Hochbegabte an chronischer Unterforderung. Ein typisches Szenario – das du auch kennst?

Carina ist 25, hochbegabt und hat ihr Staatsexamen in Jura sowie einen Arbeitsvertrag bei einer Wirtschaftskanzlei in der Tasche. Sie freut sich auf den Einstieg.

Carinas erster Auftrag: Sie soll einen Versicherungsvertrag Korrektur lesen. Ihr Chef sagt, der Vertrag sei sehr anspruchsvoll und umfangreich. "Kein Problem", denkt Carina, "jeder fängt mal klein an". 

Nach drei Tagen ist Carina mit der Arbeit fertig und bittet um einen Gesprächstermin mit ihrem Chef. "Na, haben Sie Fragen? Ist ja nicht gerade die einfachste Aufgabe." "Nein", sagt Carina. "Ich bin fertig, und wenn meine Arbeit so in Ordnung ist, hätte ich gerne das nächste Projekt". Ihr Chef zieht die Augenbrauen hoch. "Na schön, ich habe noch einen anderen Vertrag für Sie. Aber bitte nicht mehr ganz so schnell – was sollen Ihre Kollegen denken!" Ihre Tätigkeit hatte sich Carina anders vorgestellt, sie würde gerne in ihren Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität einsteigen.

Depressiv, aggressiv – und hochbegabt  

Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, wie die ersten Monate weitergehen … Carina ist zunehmend genervt, gelangweilt, fühlt sich schlapp. Auch im Umgang mit ihrem Freund reagiert sie oft aggressiv. Die Hochbegabte versteht sich und ihre Welt nicht mehr. 

Carinas Probleme sind nicht neu. Sie hat bereits als Kind einen IQ-Test gemacht. Das Ergebnis: 130 – Hochbegabung. In der Schule und mitunter auch im Studium hat sie sich gelangweilt. Die Anforderungen ihrer neuen Arbeit empfindet sie als "Kinderaufgaben". Carinas Freund empfiehlt ihr deshalb einen Coach für hochbegabte Erwachsene.

Leben mit 130er-IQ  

Carinas Coach erklärt ihr, was es mit einem IQ von mehr als 130 auf sich hat: Hochbegabte Erwachsene denken schneller und vernetzter als Normalbegabte. Durch die geringen Wiederholungsschleifen beim Lernen langweilen sie sich rascher – vor allem, wenn sich Aufgaben als Routinetätigkeiten herausstellen.

Carinas Aufgaben aus der Schulzeit, dem Studium oder der Kanzlei sind also nicht per se "kinderleicht". Als hochbegabte Erwachsene nimmt Carina sie nur in Bezug auf ihren eigenen intellektuellen Maßstab so wahr. Andere empfinden das Abitur, ein Jurastudium oder die erste Zeit in der Berufspraxis als inhaltlich anspruchsvoll. Sie brauchen eine gewisse Weile, bis sie bestimmte Aufgabenstellungen komplett verinnerlicht haben. Hochbegabte Erwachsene durchdringen ein Thema um ein Vielfaches schneller! 

Hochbegabung – wie sagst du's dem Chef?

Carina und ihr Coach entwickeln Lösungsmöglichkeiten gegen ihre Unterforderung:

  1. Carina sucht das Gespräch mit ihrem Chef. Sie teilt ihm mit, dass sie sich schnell in neue Sachverhalte einarbeiten kann, sich schon im Studium intensiv mit den Inhalten aus dem Wirtschaftsrecht beschäftigt hat und sich daher anderen Input wünscht. Dabei erwähnt sie nicht das Wort "Hochbegabung".
  2. Carina nutzt diese Phase der geringen Arbeitsintensität dafür, um neben dem Beruf zu promovieren. Hochbegabte benötigen in der Fachrichtung Jura dafür durchschnittlich ein bis zwei 2 Jahre.
  3. Carina bittet ihren Chef, an bestimmten Tagen Homeoffice machen zu dürfen, weil sie sich zu Hause besser konzentrieren könne. Carinas Coach erklärt ihr, dass hochbegabte Mitarbeiter zum Beispiel in der Stadtverwaltung oder diversen Ämtern diese Variante sehr häufig wählen. Der Grund: Sie können im Büro ihre Arbeit (heimlich schnell) erledigen und den Tag im Homeoffice für andere Interessen nutzen, ohne dass es dem Arbeitgeber auffällt.

Wenn der Boss die Hochbegabung blockt 

Carina vereinbart einen Termin mit ihrem Chef. Obwohl sie ihr Anliegen sehr diplomatisch vorbringt, bremst ihr Chef sie aus: Er sehe durchaus, dass Carina sehr schnell im Kopf und vermutlich eine hochbegabte Erwachsene sei. Aber er als Chef könne das niemals vor seinen Mitarbeitern thematisieren. Sein Argument: Wenn Carina auf einmal neue Maßstäbe setzt, stört das den Betriebsfrieden. Laut eigener Aussage möchte er das Betriebsklima auf keinen Fall gefährden. 

Bei der nebenberuflichen Promotion und dem Homeoffice kommt ihr Chef ihr allerdings entgegen: Seine Zugeständnisse möchte er jedoch lieber inoffiziell machen – er fürchtet die Neidkultur im eigenen Unternehmen. Deshalb will er Carina alternativ bei einem befreundeten Wirtschaftsanwalt unterbringen, wo sie ihm zufolge andere Aufgaben in einem dynamischeren Team hat.

Carina ist nicht zufrieden mit dem Ergebnis des Gesprächs. Sie fühlt sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Wie viele Hochbegabte muss sie sich früh zurücknehmen: In der Schule spielt sie den Klassenclown und baut bei Prüfungen Fehler ein, um nicht gemobbt zu werden. Das Studium besteht für sie nur aus Auswendiglernen und Wiedergeben.

Um ihre berufliche Situation zu verbessern, vertraut sie sich deshalb wieder ihrem Coach an.

Clever gegen die Neidkultur

Diesmal erarbeiten die beiden Strategien, wie Carina am besten mit skeptischen Mitarbeitern umgeht:

  1. Carina sucht bei ihren Kollegen gezielt nach Stärken und Gemeinsamkeiten und hebt diese bewundernd hervor. Auch auf privater Ebene zeigt sie Interesse, etwa am Segelhobby des Kollegen. Allerdings macht diese Strategie nur Sinn, wenn Carina tatsächlich Stärken und Gemeinsamkeiten sieht. Sonst besteht die Gefahr, dass ihre Kommentare sarkastisch wirken könnten.
  2. Carina bearbeitet Aufgaben künftig deutlich langsamer. Zum Beispiel, indem sie immer wieder "sehr beschäftigt" zum Kopierer geht oder sich häufiger wie ihre Kollegen einen Kaffee holt oder eine Extrapause macht. In der Zwischenzeit beschäftigt sie sich mit ihren Fachinteressen. 
  3. Besonders skeptische Kollegen fragt Carina auch mal um Rat – jedoch nur, wenn der Kollege sich in der Materie tatsächlich besser auskennt als sie …

Hochbegabung im Job – die Umgebung muss passen 

Egal ob Carina in ihrer ersten Arbeitsstelle bleibt oder sich doch anderweitig orientiert, ihre Situation ist typisch für hochbegabte Erwachsene. Viele Hochintelligente sind dauerhaft auch am besten in der Selbständigkeit aufgehoben oder zumindest in einem Unternehmen, das ähnlich talentierte Mitarbeiter beschäftigt. 

Hochbegabte wünschen sich einen Austausch auf Augenhöhe mit anderen Hochbegabten, und viele Chefs wünschen sich schnelldenkende und talentierte Mitarbeiter wie Carina. Genau hier setzt auch CLEVER PEOPLE an, die Community für hochbegabte Erwachsene.

Du hast einen IQ ab 120 und eine konstruktive Haltung? Dann tritt CLEVER PEOPLE bei. Mehr Informationen zum Netzwerk findest du hier.

© Doktor Karin Joder, CLEVER PEOPLE – das Netzwerk für Hochbegabte und Hochintelligente

Dr. Karin Joder ist Expertin für Hochbegabung und Begabungsdiagnostikerin. Die studierte Diplompsychologin vernetzt hochbegabte Menschen als Gründerin und ehrenamtliche Geschäftsführerin von www.cleverpeople.net – der Community für hochbegabte Erwachsene.

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