Simon-Kucher & Partners – Case Study zur Übung: Produkt- und Preisgestaltung einer Online-Dating-Plattform

Autor*innen
Charlotte-Louise Bartsch und Dr. Johannes Vöster
Zwei Personen stehen sich gegenüber. Der Kopf der einen ist durch ein Smartphone ersetzt, der der zweiten durch eine Hand, deren Zeigefinger auf dem Smartphone kritzelt.

Eine Online-Dating-Plattform verliert zunehmend Mitglieder. Der CEO der Firma beauftragt dich. Kannst du ihm helfen, Potenziale zur kurzfristigen und langfristigen Umsatzerhöhung aufzudecken? 

Logo von Simon Kucher [© Simon Kucher]

Case Study von Simon Kucher & Partners

Simon-Kucher ist eine Unternehmensberatung mit über 2.000 Mitarbeitenden in 30 Ländern und ist weltweit führend in den Bereichen Preisberatung und Unternehmenswachstum. In Deutschland hat das Unternehmen Büros in Berlin, Bonn, Frankfurt, Hamburg, Köln und München.

Interviewer: Ihr Klient ist eine Online-Dating-Plattform, die ihren Mitgliedern auf Basis eines Persönlichkeitstests Partnervorschläge macht. In den letzten zwei Jahren hat die Plattform zunehmend Mitglieder verloren und dadurch einen Umsatzrückgang zu verzeichnen. Der CEO sieht in einer neuen Dating-App, die am Markt kostenfrei verfügbar ist, eine Hauptursache für den Rückgang. Sie werden beauftragt, Potenziale zur kurzfristigen und langfristigen Erhöhung des Umsatzes aufzudecken. 

Bewerber: Welche Arten von Mitgliedschaften werden denn heute von unserem Klienten und der Konkurrenz, also der besagten Dating-App, angeboten?

Interviewer: Einer Ihrer Kollegen hat diese Information bereits in einer Tabelle zusammengestellt und Ihnen per E-Mail gesendet. Was fällt Ihnen bei der Betrachtung der angebotenen Mitgliedschaften auf?

Mitgliedschaftsmodell von Online-Dating-Plattform und Dating-App

Bewerber: Als Erstes fällt mir auf, dass unser Klient im Gegensatz zur Konkurrenz keine kostenlose Mitgliedschaft anbietet. Weiterhin unterscheiden sich die Mitgliedschaften hinsichtlich ihrer Funktionalität, wie z.B. bei der Begrenzung von Nachrichten bzw. Likes. Wesentlicher Unterschied ist auch die Art, wie die beiden Anbieter ihren Nutzern Partnervorschläge machen. Die Online-Dating-Plattform verwendet einen Persönlichkeitstest, die Dating-App hingegen die geografische Nähe der Nutzer. Ich vermute, dass die beiden Angebote unterschiedliche Kundensegmente ansprechen.

HINWEIS: Bewerber:innen zeigen durch diese Vermutung, dass ihnen das Thema kundenspezifische Produktdifferenzierung bekannt ist.

Interviewer: Welche Kundensegmente sprechen die angebotenen Mitgliedschaften aus Ihrer Sicht an? Und was könnte dies für Ihren Auftrag bedeuten?

Bewerber: Ich vermute, dass die Mitglieder der Online-Dating-Plattform Interesse an einer seriösen Partnervermittlung haben. Möglicherweise sind sie älter als die Kunden der Dating-App und bereit, mehr für den Service zu bezahlen. Die Kunden der Dating-App hingegen sind vermutlich jünger und noch nicht auf der Suche nach einem Lebenspartner, sondern möchten ungezwungen mit interessanten Menschen ausgehen.

Sollte unser Klient in den letzten zwei Jahren insbesondere jüngere Kunden verloren haben, könnte dies bedeuten, dass wir eine weitere Mitgliedschaft anbieten sollten, die besser auf die Wünsche dieses Kundensegments ausgerichtet sind.

Interviewer: Dies ist richtig. Unser Klient hat in einer kürzlich durchgeführten Umfrage folgende Kundensegmente identifiziert: "Young Explorer", "Serious Seeker" und "All Inclusive". Die ersten beiden Segmente haben Sie bereits richtig beschrieben. Die "All Inclusive"-Kunden suchen wie die "Serious Seeker" nach einem Lebenspartner, aber sie möchten nur einen monatlichen Betrag bezahlen ohne Extrakosten z.B. für weitere Nachrichten. Wie würden Sie die jeweiligen Mitgliedschaften für die drei Kundensegmente gestalten? Worauf müssen Sie besonders bei der Mitgliedschaft für "Young Explorer" achten?

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Bewerber: Die Mitgliedschaft für "Young Explorer" sollte kostenlos sein, um gegenüber dem freien Angebot der Dating-App interessant zu sein. Dabei müssen wir darauf achten, diese Mitgliedschaft von der aktuell angebotenen Premium-Mitgliedschaft abzugrenzen. Andernfalls könnten Kunden von der kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft in die kostenlose Mitgliedschaft übergehen. Daher schlage ich vor, den Persönlichkeitstest nicht bei der kostenlosen Mitgliedschaft anzubieten und die Anzahl der inkludierten Nachrichten weiter zu reduzieren.

Für das Kundensegment "All Inclusive" würde ich den Kundenwünschen entsprechend vorschlagen, dass es eine Mitgliedschaft gibt, die eine unbegrenzte Menge an Nachrichten ermöglicht. Diese Mitgliedschaft müsste selbstverständlich mit einem höheren Preis verbunden sein als die aktuelle Premium-Mitgliedschaft.

Interviewer: Die Vorschläge gefallen Ihrem Klienten. Gemeinsam erarbeiten Sie folgendes Produktfolio:

Neues Portfolio der Online-Dating-Plattform

Ihr Klient ist natürlich daran interessiert, welchen Mehrumsatz er durch das neue Mitgliedschaftsangebot erzielen kann. Welche Informationen benötigen Sie dafür?

Bewerber: Um den Mehrumsatz zu ermitteln, müsste ich den Umsatz vor und nach der Umstellung der Mitgliedschaften berechnen. Hierfür benötige ich die Anzahl der Mitglieder je Mitgliedschaft und die durchschnittliche Anzahl an zusätzlich versandten Nachrichten jeweils vor und nach der Umstellung. Ich vermute, dass wir trotz der Leistungsdifferenzierung der Mitgliedschaften einige Premium-Kunden an die neue kostenlose Mitgliedschaft verlieren.

Interviewer: Sehr gut. Bitte berechnen Sie den Mehrumsatz mit den folgenden Daten:

Anzahl der Mitglieder und der zusätzlichen Nachrichten

Bewerber: Mit den zur Verfügung gestellten Informationen lässt sich der Mehrertrag wie folgt berechnen:

Umsatz bei alter und neuer Preisstruktur

Die Online-Dating-Plattform würde 284.000 Euro pro Monat zusätzlich erzielen (150.000 + 2.016.000 + 358.800 - 2.240.000 Euro). Das sind ca. 3.400.000 Euro pro Jahr.

Interviewer: Nehmen wir an, Sie stellen Ihre Ergebnisse nun der CEO der Online-Plattform vor. Sie ist begeistert von der neuen Mitgliedschaftsstruktur. Sie würde aber gerne noch von Ihnen wissen, wie in den nächsten Jahren mehr Mitglieder von der Premium-Mitgliedschaft in die PremiumPlus-Mitgliedschaft migriert werden können. Können Sie bitte mehrere Ideen skizzieren?

Bewerber: Sehr gerne. Ich würde mögliche Initiativen in die Themenblöcke Produkt- und Preisgestaltung unterteilen.

Hinsichtlich der Produktgestaltung könnte der Mehrwert zwischen Premium und PremiumPlus vergrößert werden. Dazu könnten entweder die Funktionalitäten der Premium-Mitgliedschaft reduziert werden, z.B. könnte die Anzahl an Likes ähnlich wie bei der Konkurrenz begrenzt werden. Alternativ könnte der Wert der PremiumPlus-Mitgliedschaft durch die Entwicklung neuer Funktionalitäten gesteigert werden, z.B. könnte ich mir größere Profilbilder für PremiumPlus-Kunden vorstellen. Hinsichtlich der Preisgestaltung könnte auch ohne eine Veränderung der Funktionalitäten der Preis der Premium-Mitgliedschaft einfach angehoben werden.

Alle Initiativen zielen darauf ab, das Preis-Wert-Verhältnis der PremiumPlus-Mitgliedschaft im Vergleich zur Premium-Mitgliedschaft attraktiver zu machen.

Offene Stelle bei Simon Kucher & Partners: Jetzt bewerben!

Interviewer: Alle von Ihnen vorgeschlagenen Initiativen sind denkbar. Gibt es eine Möglichkeit, die Preiserhöhung der Premium-Mitgliedschaft "versteckt" durchzuführen?

Bewerber: Der Preis der Premium-Mitgliedschaft setzt sich zusammen aus dem für den Kunden deutlich sichtbaren monatlichen Betrag von 19,90 Euro und den auf den ersten Blick weniger sichtbaren Kosten für die zusätzlich versandten Nachrichten (jeweils 0,50 Euro). Derzeit lohnt sich eine PremiumPlus-Mitgliedschaft für Premium-Kunden bei mehr als 20 zusätzlich versandten Nachrichten. Im Durchschnitt schreiben die Kunden jedoch nur fünf zusätzliche Nachrichten. Eine weitere Initiative könnte also sein, den Preis für zusätzliche Nachrichten anzuheben und somit eine "versteckte" Preiserhöhung durchzuführen.

Interviewer: Vielen Dank. Aus meiner Sicht wurde diese Aufgabe sehr gut gelöst.

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