Vergütung: Gehalt? Klasse!

Autor*innen
Franziska Telser und Claudia Obmann
Junger Geschäftsmann in fragender Pose bekommt Geld überreicht

Branchenwechsel, Tandem-Führungskraft, Selbstständigkeit: Fünf Menschen erzählen, wie sich ihr Jobwechsel finanziell ausgewirkt hat.

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Das Gehalt ist noch immer einer der Hauptgründe, warum Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen. Das zeigt zum Beispiel eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung EY, für die rund 1.500 Beschäftigte nach ihren Gründen für einen Jobwechsel gefragt wurden. 58 Prozent antworteten darin: "bessere Bezahlung".

Doch es gibt noch mehr gute Gründe für einen solchen beruflichen Entwicklungsschritt – denn ein Neustart im Job ist zwar häufig, aber keineswegs immer mit einem Gehaltssprung verbunden.

So erhoffen sich manche Jobwechsler mehr Zeit für ihr Privatleben oder wieder mehr Freude an der Arbeit. Andere streben nach mehr Selbstbestimmtheit oder weniger Führungsverantwortung. Wieder andere wollen örtlich und zeitlich flexibler werden.

Das Handelsblatt hat mit fünf Menschen zwischen 29 und 57 Jahren gesprochen, die ihren Job kurz vor oder während der Coronapandemie gewechselt haben. Sie schildern, was sie dazu motivierte und wie sich der Schritt finanziell für sie ausgewirkt hat.

Frank Pressentin 

Inzwischen schreibe ich die schwarze Null

Frank Pressentin, 46, hat Erzieher gelernt. Danach war er Inhaber und Geschäftsführer eines Trägers der Kinder- und Jugendhilfe und einer Immobilienfirma für den Erhalt und Erwerb von sozial genutztem Wohnraum.

"Verändern wollte ich mich schon lange. Im Herbst 2020 habe ich den Schritt gewagt und meine Unternehmensanteile an meinen Geschäftspartner verkauft. Nach zwölf Jahren als Geschäftsführer eines Sozialunternehmens mit 40 Mitarbeitern habe ich mich fremdbestimmt gefühlt. Ich war vor allem verantwortlich für Zahlen und meine Mitarbeiter. Mir ging es zu viel darum, Prozesse zu perfektionieren, Exceltabellen zu füllen und von der Metaebene herab pädagogische Themen zu managen.

Heute arbeite ich als Künstler und stelle Füllfederhalter her. Das war nicht geplant. Als ich ausgestiegen bin, wollte ich nur ein leeres weißes Papier vor mir haben. Dann kam der Lockdown, Homeschooling mit dem Sohn, und ich habe meine Werkstatt wiederentdeckt.

Schreibgeräte habe ich schon früher in meiner Freizeit hergestellt. Im Mai 2021 habe ich dann ein neues Unternehmen dafür gegründet. Inzwischen schreibe ich die schwarze Null. Ab Sommer werde ich voraussichtlich 20 Prozent meines früheren Gehalts als Geschäftsführer verdienen. Weiter steigern will ich meinen Umsatz nicht. Meine Kapazitäten sind ausgeschöpft, und ich habe nicht vor, weitere Mitarbeiter einzustellen. Auch wenn sich mein Einkommen verschlechtert hat, habe ich den Schritt keinen Tag bereut. Ich bin einfach kein Vollblutmanager. Mit dem Erlös aus meinen Unternehmensanteilen konnte ich unser Haus und mein Atelier abbezahlen – ich habe keine großen finanziellen Verpflichtungen mehr, und meine Frau als Lehrerin bringt ein regelmäßiges Einkommen mit nach Hause und unterstützt meine Selbstständigkeit. Das fühlt sich nach viel Freiheit an." tel

Claudia Huth 

Durch den Branchenwechsel kann ich meine künftige Rente aufbessern

Die Coronakrise gab Claudia Huth, 54, den finalen Anreiz, sich eine besser bezahlte Stelle zu suchen – nach 29 Jahren in der Mineralölbranche.

700 Euro mehr Gehalt pro Monat hat mir mein Jobwechsel gebracht. Die lege ich an, um meine künftige Rente aufzubessern.

Ich komme aus Magdeburg, bin gelernte Bauzeichnerin und studierte Bauingenieurin, aber nach der Wende stand ich erst mal auf der Straße und bezog Arbeitslosengeld. Der volkseigene Betrieb, bei dem ich zuvor beschäftigt war, war geschlossen worden.

Das Arbeitsamt schickte mich zur Umschulung. Ich sollte programmieren lernen, doch einen festen Job gab es anschließend auch da nicht für mich.

So blieb ich kurzerhand bei Esso, wo ich während der Fortbildung ein Praktikum gemacht hatte. Ich verkaufte Heizöl im Innendienst, verfasste Angebote, disponierte Tankwagen und Fahrer. 
29 Jahre war ich in der Mineralölbranche. Die verliefen keineswegs ruhig. Zweimal wechselte mein Arbeitgeber, weil der Standort geschlossen wurde, ein weiteres Mal wegen einer Firmenfusion. Die führte schließlich dazu, dass ich vom Konzern in den Mittelstand wechselte.

Neue Aufgaben, neue Chefs, ich machte alles mit – bis die Coronakrise kam.

Dass ich dann nicht vom Homeoffice aus arbeiten durfte, machte mir so richtig klar, wie wenig Wertschätzung ich seit Langem für meine Arbeit erfuhr – und wie unterfordert ich oft war. Das war der nötige Schubs, mich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen.

Als ich im Mai 2021 eine Stellenanzeige eines großen Logistikdienstleisters sah, der ein Reifenlager in Magdeburg eröffnete, bewarb ich mich sofort.

Besser hätte es nicht laufen können: Schon nach drei Wochen kam die Zusage. Als Transportkoordinatorin bringe ich nun meine Erfahrung mit Lkw-Disposition und Abrechnung ein, wenn Reifen an Großhändler und Autohäuser in ganz Deutschland ausgeliefert werden. Wir sind ein Team von acht Kollegen, die mit mir zusammen angefangen haben. Mir gefällt es, zurück in einem internationalen Konzernumfeld zu sein. Der Branchenwechsel mit 53 Jahren hat sich für mich nicht nur finanziell gelohnt." cob

Jaqueline Chukwudi 

Die Umschulung hat sich gelohnt

Jaqueline Chukwudi, 29, hat eine Tankstelle geleitet, bevor sie 2021 Fahrlehrerin wurde.

Fahrlehrerin? Ja, der Job ist gerade enorm gefragt, macht mir richtig Spaß, und auch finanziell hat sich die Umschulung für mich gelohnt.

Ich war vorher Aushilfskraft und hatte mich zur Tankstellenleitung hochgearbeitet. Nach einem Überfall ging es mir beruflich und gesundheitlich nicht gut. Mir fehlte die Tatkraft – es kam zur Kündigung. Ein Freund, der gerade die Fahrlehrer-Ausbildung absolvierte, machte mir daraufhin den Beruf schmackhaft. Mitten in der Pandemie habe ich dann umgesattelt.

Wer Fahrlehrerin werden möchte, muss erst einmal acht Monate lang eine Schule besuchen. Dann folgen eine fahrpraktische Prüfung, ein schriftlicher und praktischer Test. Anschließend geht es ins mindestens 18-wöchige Pflichtpraktikum bei einer Fahrschule, auf die noch eine theoretische und praktische Lehrprobe folgt. Erst danach kann man richtig loslegen. Das Ganze ist nicht billig. Rund 15.000 Euro Ausbildungskosten fallen an. In meinem Fall hat die Agentur für Arbeit das übernommen. Inzwischen bin ich seit sechs Monaten als Fahrlehrerin fest angestellt und verdiene deutlich mehr als früher. Schon nach diesem halben Jahr Berufstätigkeit hätte ich die Investition in die berufliche Zukunft wieder rausgehabt. Und es bleibt sogar noch etwas übrig zum Sparen. Bald werde ich mein WG-Leben hinter mir lassen und in eine eigene Wohnung ziehen. Was ich künftig zur Seite legen kann, spare ich, um mir ein Haus zu kaufen. Doch allein aus finanziellen Gründen mache ich meinen Job nicht. Der Moment, als mein erster Schüler seine Prüfung bestanden hat, war einer der schönsten in meinem Leben. cob

Gerd Müller-Westphal 

Ich bekomme noch rund 80 Prozent meines früheren Chefgehalts

Gerd Müller-Westphal, 57, war jahrelang Führungskraft bei einem Life-Science-Unternehmen. 2020 gab der Personalexperte seinen Posten auf und ist nun Spezialist für Personalthemen bei einem Dachfenster-Hersteller.

"20 Jahre lang habe ich als Führungskraft in der Personalabteilung eines großen Unternehmens gearbeitet – bis mir vor einigen Jahren langsam klar wurde, dass ich eigentlich viel lieber Experte statt Chef bin.

In meiner Firma gab es damals einen Wechsel an der Spitze. Meine neue Vorgesetzte war meiner Meinung nach völlig ungeeignet für ihren Job, weil sie mit ständig wechselnden Prioritäten Verunsicherung schuf und den Mitarbeitenden die Motivation nahm. Ich begann, nicht nur an ihr, sondern auch an mir selbst zu zweifeln: Hatte ich die Führungsstärke, die ihr fehlte?

Trotz meiner Zweifel blieb ich erst mal in meiner leitenden Position. Nur den Arbeitgeber wechselte ich 2017. Als Leiter der Personaladministration bei einem Mittelständler hatte ich so viel Arbeit auf dem Tisch, dass ich nach zwei Jahren psychisch am Ende war. Ich konnte nicht mehr und zog kurz vor Ausbruch der Coronapandemie Ende 2019 die Reißleine – ohne dass ich eine neue Stelle in Aussicht hatte.

Finanziell ging das. Als Führungskraft hatte mein Gehalt viele Jahre im sechsstelligen Bereich gelegen. Ich habe keine Kinder, die ich versorgen muss. Meine Wohnung ist abbezahlt und meine Rente gesichert. Trotzdem wollte ich eigentlich früher wieder anfangen zu arbeiten, aber dann kam die Pandemie.

Im September 2020 fand ich endlich einen neuen Job bei der Techniker Krankenkasse: im selben Bereich, aber nicht mehr als Führungskraft, sondern als Spezialist. 

Mittlerweile arbeite ich bei einem Hersteller von Dachfenstern und bekomme nur noch rund 80 Prozent meines früheren Chefgehalts. Das reicht mir aber immer noch sehr gut zum Leben. Ich würde nicht mehr zurückgehen in eine Führungsrolle, auch wenn ich wieder mehr verdienen würde. Ich bin einfach lieber Experte, weil ich meine Stärken in der Zusammenarbeit im Team und in den fachlichen Aufgaben sehe. tel

Kati Wilmsmeier 

Im Tandem habe ich mehr Verantwortung und Freizeit – bei etwas weniger Geld

Kati Wilmsmeier, 45, war Führungskraft in einer Beratung. 2022 wurde sie Marketing- und Kommunikationsdirektorin beim Logistiker Fiege – als Teil eines Führungstandems.

"13 Jahre habe ich in Vollzeit die interne Kommunikation einer Unternehmensberatung geleitet. Dann bekam ich die Chance, Teil eines Führungstandems zu werden. Es fühlte sich an, als ob ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung geht: mehr Führungsverantwortung bei mehr Freizeit.

Möglich ist das, weil ich mir die Stelle als Marketing- und Kommunikationsdirektorin beim Logistikanbieter Fiege seit August 2022 mit einer erfahrenen Kollegin teile. Der Anbieter für Tandemkarrieren Twise hat uns zusammengebracht. Gemeinsam steuern wir nun die Bereiche Marketing, Kommunikation und PR für die gesamte Gruppe, jede mit einer 60-Prozent-Stelle. Ich bin donnerstags und freitags, meine Tandempartnerin montags und dienstags in charge.

Mittwochs überschneiden wir uns und kommen beide in die Zentrale in Greven bei Münster. Dann ist Zeit für persönlichen Austausch – auch mit unseren rund zehn Mitarbeitern.
An den übrigen Tagen schreiben wir uns für jeden Tag eine Rückschau mit den wichtigsten Ereignissen, um uns auf dem Laufenden zu halten. Wir berichten direkt an den Fiege-Vorstand.

Im Vergleich zu meiner vorherigen Stelle habe ich finanziell leichte Einbußen: Für meine Tandemposition verzichte ich auf rund 20 Prozent meines monatlichen Vollzeiteinkommens. Jeder Cent davon ist es wert. Denn ich habe eine spannende Aufgabe – inklusive Work-Life-Balance. An vier Tagen pro Woche bleibt mir Zeit für Familie und Freund, vor allem für meine drei Patenkinder. Ich mache regelmäßig Yoga. Jetzt im Herbst und dann im Winter möchte ich gern wandern und Ski fahren und später einmal vielleicht noch eine Coaching-Ausbildung machen. 

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