Maximal viel erreichen: Mit 80k einsteigen – Fach & Noten egal!

Autor*innen
Darius Meißner
Eine Person mit Aktentasche fährt Einrad auf einer Linie, die Datenpunkte verbindet.

Wir verraten dir ein Geheimnis: Jeder von uns steigt mit 80.000 ins Berufsleben ein. Wo man so viel Geld bekommt, fragst du? Halt, Missverständnis! Wir meinen mit 80.000 nicht dein zukünftiges Jahresgehalt. Sondern die Stunden, die du in deinem Leben arbeiten wirst. Eine Menge Zeit, um schlechte Entscheidungen zu treffen. Deshalb liest du hier, wie du deine wertvolle Lebenszeit so einsetzt, dass die Welt davon maximal profitiert. Und du natürlich auch.

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Überwältigende Aussichten: Wenn du in Rente gehst, wirst du etwa 80.000 Stunden deines Lebens mit Arbeit verbracht haben. Das macht deine Berufswahl zu einer der wichtigsten Entscheidungen, die du jemals triffst – nicht nur aus persönlicher, sondern auch aus moralischer Sicht. Je nachdem, welche Ausbildung, welchen Karrierepfad und schließlich welchen Lebensstil du wählst, trägst du unterschiedlich stark dazu bei, das Leben deiner Mitmenschen zu verbessern und Leid zu verhindern.

In 80.000 Stunden kannst du entweder dringende Probleme des Planeten anpacken und viele Leben retten – oder keinen messbaren Unterschied bewirken. Im schlimmsten Fall richtest du mit deiner Arbeit sogar Schaden an. Die gute Nachricht: Je besser du ausgebildet bist, desto höher sind deine Chancen, nicht nur ein abwechslungsreiches, erfüllendes (Arbeits-)Leben zu führen, sondern auch die Existenz deiner Mitmenschen nachweisbar zu verbessern.

Vor allem wissenschaftlich ausgebildete, gut informierte Menschen bringen die idealen Voraussetzungen mit, um die moralischen Folgen ihres Handelns in einem größeren Zusammenhang abzuschätzen und daraus Entscheidungen abzuleiten. Wenn du diesen Artikel liest, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du dazugehörst.

Häufige Irrwege bei der Berufswahl

Je früher du dich also damit beschäftigst, welche Auswirkungen deine berufliche Laufbahn auf die Welt haben soll, desto besser. Typische Ratschläge wie "Folge deiner Leidenschaft" oder "Such dir einen Job, bei dem du möglichst viel verdienst" helfen dabei allerdings nicht weiter.

Und zwar deshalb, weil diese 'Weisheiten' kaum etwas darüber aussagen, was die vielen tausend Stunden Arbeit, die vor dir liegen, für Konsequenzen haben werden. Ob deine Lebenszeit einen messbaren Unterschied für andere machen wird, geht aus diesen Ratschlägen nicht hervor: Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Warum? Schauen wir uns die Ratschläge an:

"Folge deiner Leidenschaft" ist kein guter Tipp, weil sich 'Leidenschaften' a) in wenigen Jahren verändern können und b) weil 'Leidenschaften' oft in Bereichen wie Kunst, Musik oder Sport liegen: Dort existieren aber leider nur wenige gute (und gutbezahlte) Jobs, was sowohl die Wahrscheinlichkeit verringert, dass du mit deinem Beruf glücklich wirst, als auch die Wahrscheinlichkeit, dass du die Welt messbar verändern (oder gar verbessern) wirst.

"Such dir einen Job, bei dem du möglichst viel verdienst", ist ebenfalls kein guter Ratschlag. Warum? Weil wissenschaftlich erwiesen ist, dass Einnahmen, die ein Durchschnittseinkommen eines Industrielandes übersteigen, den Empfänger kaum dauerhaft zufriedener machen. Anderen Menschen zu helfen, steigert das eigene Wohlergehen dagegen zuverlässig – und natürlich auch das Wohlergehen derjenigen, denen du hilfst. Aber: Ein Job, "bei dem du möglichst viel verdienst", kann dann eine gute Option sein, wenn du bereit bist, möglichst viel Geld für effektives Spenden (siehe unten) aufzubringen.

Ethische Berufswahl

Wie findest du nun einen Beruf, der zu dir und dem anspruchsvollen Ziel passt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Eine gute Orientierung bietet das kostenfreie, englischsprachige Berufswahl-Tool, das die Organisation "80,000 Hours" auf Grundlage wissenschaftlicher Forschungen entwickelt hat. Die Gründer und Mitarbeiter von "80,000 Hours" sind überzeugt, dass es dem eigenen Leben Sinn und Bedeutung verleiht, die Existenz anderer durch die eigene Arbeit zu verbessern.

Daraus leiten sie die Regel ab: "Werde gut in etwas, das anderen hilft". So entsteht eine Win-win-Situation: Das (moralisch) Richtige zu tun, macht nicht nur andere glücklicher, sondern auch dich selbst.

Du kannst das Berufswahl-Tool von "80,000 Hours" hier gleich selbst ausprobieren (du solltest allerdings 30 Minuten einplanen):

Effektiver Altruismus

Zum Verständnis hilft es zu wissen, dass "80,000 Hours" Teil der internationalen Bewegung des Effektiven Altruismus ist. Effektive Altruisten verbinden sozusagen Herz und Verstand. Sie wollen Mitgefühl beweisen und Leid verhindern, lassen sich dabei aber von Daten, Argumenten und Vernunft leiten.

Deshalb nutzt der Effektive Altruismus wissenschaftliche Erkenntnisse und kritisches Denken, um dringende globale Probleme zu lösen. Entsprechend beschäftigt sich die Bewegung vor allem mit Spenden- und Konsumverhalten, aber eben auch mit der Berufswahl, weil diese die zukünftigen Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen auf Jahrzehnte bestimmt.

Berufspfade für Weltverbesserer

Wenn du dich bei der Berufswahl nur von deinem Bauchgefühl leiten lässt, ist es wahrscheinlich, dass du in deiner Lebenszeit sehr wenig für andere bewirken wirst. Stützt du dich hingegen auf wissenschaftliche Erkenntnisse und gehst strategisch und rational vor, kannst du im Lauf deiner Berufslaufbahn das Leben hunderter Menschen oder tausender Tiere retten.

Das ist kein Hokuspokus, sondern eine rechnerische Tatsache. Du musst dazu auch kein Genie sein oder eine bahnbrechende Entdeckung machen, sondern lediglich deine Zeit und deine Mittel möglichst effektiv einsetzen.

"80,000 Hours" empfiehlt vier breitgefächerte Berufswege, die maximale Wirkung versprechen: Direktarbeit, professionelles Spenden ("Earning to Give"), Kommunikation und Forschung.

Direkte Arbeit ist sinnvoll, wenn du bei einer besonders effektiven Organisation arbeiten kannst, die Schwierigkeiten hat, ihre Stellen mit kompetentem Personal zu besetzen. Als Arzt wäre es beispielsweise vielversprechend, in einem ärmeren Land zu arbeiten, da deine Arbeit dort schwer zu ersetzen ist. Ein zusätzlicher Arzt in einem notleidenden Land kann statistisch erheblich mehr zusätzliche Lebensjahre retten als ein zusätzlicher Arzt in einem Industrieland. Dennoch kann ein Arzt, der in einem Industrieland arbeitet, seinen Kollegen aus dem Entwicklungsland noch übertreffen – er braucht dazu allerdings einen Trick. Wie das gehen soll?

Mit Mathematik: Hochschulabsolventen in Deutschland gehören mit einem durchschnittlichen Jahreseinstiegsgehalt von 43.000 € zu den reichsten zwei Prozent der Weltbevölkerung. Wenn du also einen hochbezahlten Beruf (wie den eines Arztes in Deutschland) wählst und von deinem Einkommen einen großen Teil spendest, um damit etwa zusätzliche Stellen bei hochwirksamen Non-Profit-Organisationen zu schaffen, bewirkst du meist deutlich mehr, als direkt für diese Organisationen zu arbeiten.

Wichtig ist dabei, an nachweislich effektive Organisationen zu spenden, damit dein Geld möglichst viel bewirkt. Für diesen Zweck kann man sich an den Empfehlungen des Hilfswerk-Evaluators GiveWell orientieren. GiveWell hat auch errechnet, dass du dank gezielter Spenden schon mit wenigen Tausend Euro ein Menschenleben retten wirst, das ohne dein Geld mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verlorengeht.

Wer versucht, möglichst viel zu verdienen, um viel zu spenden, betreibt professionelles Spenden oder "Earning to Give".

Als Kommunikator arbeitest du dagegen in Berufen wie dem Journalismus, im Aufbau sozialer Bewegungen oder daran, die Politik zu beeinflussen. Kannst du andere Personen davon überzeugen, durch ihre Berufswahl oder Spenden effektiv Gutes zu tun, potenziert sich deine eigene Wirkung.

Ebenfalls vielversprechend ist die Forschung. Viele der Menschen, die in der Geschichte der Menschheit am meisten Leid verhinderten, waren Forscher, die wichtige Durchbrüche erzielten oder ermöglichten. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Erfolg gering ist, kann die Arbeit in der Forschung – sofern man sich auf die Lösung der dringendsten Probleme konzentriert – enorme Wirkungen haben. Beispiele sind die Forschung in der Entwicklungsökonomie, an der Verringerung globaler Pandemierisiken oder der Züchtung von In-vitro-Fleisch.

Fazit

Wir leben in einem der wohlhabendsten Länder der Welt und sind Teil der reichsten Generation, die jemals gelebt hat. Die meisten von uns haben von einer sehr guten Bildung, medizinischen Versorgung und sozialen Absicherung profitiert – und das nur, weil wir glücklicherweise zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren wurden.

Andere hatten weniger Glück: Viele Millionen Menschen auf der Welt leben weiterhin in extremer Armut. 60 Milliarden Landtiere werden jedes Jahr für den menschlichen Konsum geschlachtet. Zukünftige Generationen werden mit den Folgen von Klimawandel und Hochrisiko-Technologien wie Künstlicher Intelligenz zu kämpfen haben.

Unsere Privilegien erlauben es, etwas an dieser Situation zu verändern und das Leben vieler Menschen erheblich zu verbessern. Die Entscheidung liegt bei dir.

Darius Meißner studierte "Philosophy, Politics and Economics" an der Universität Oxford, absolvierte Praktika bei der Stiftung für Effektiven Altruismus in Berlin und war Leiter der Hochschulgruppe "Effektiver Altruismus Bayreuth".

Lokalgruppentreffen Effektiver Altruistinnen und Altruisten in Berlin (2017).
Bewertung: 4/5 (46 Stimmen)

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