Promovieren mit Bachelor: Auf der Überholspur zum Doktortitel

Autor*innen
Julia Schmidpeter
Ein Geschäftsmann sprintet mit Unterlagen unter den Arm.

Nach dem Bachelor kommt der Master – und erst dann die Promotion? Nicht zwangsläufig. Viele Universitäten – national und international – ermöglichen es Studenten inzwischen, den Master zu überspringen und direkt mit der Doktorarbeit loszulegen. Die Hürden dafür sind allerdings hoch.

Katrin ist erst 23 Jahre alt und forscht gerade in Neuseeland für ihre Doktorarbeit. Anjo ist drei Jahre älter und steht kurz vor dem Abschluss seiner Dissertation an einer Graduiertenschule im Saarland. Wie das geht: Sie haben kein Master-Studium absolviert, sondern direkt nach dem Bachelor-Abschluss mit der Promotion begonnen.

Doktoranden mit Bachelor-Abschluss wie Katrin und Anjo sind derzeit noch Exoten in Deutschland: Von 108.000 Promotionsstudenten, die im Wintersemester 2011/2012 an deutschen Unis eingeschrieben waren, haben nur 1.300 den Master übersprungen. Möglich macht das ein Beschluss der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2000. Demnach sollen besonders qualifizierte Absolventen direkt nach dem Bachelor in die Promotion starten können – vorausgesetzt, sie bestehen eine Eignungsfeststellungsprüfung. Wie diese aussieht, entscheidet jede Universität selbst.

Traditionelle Promotion mit Bachelor

Der Großteil der Doktoranden in Deutschland promoviert ganz klassisch an einer Fakultät: Du überlegst dir ein Thema, suchst dir einen Professor, der dich betreut, und schreibst unter seiner Aufsicht deine Doktorarbeit. Diese Art zu promovieren ist auch nur mit Bachelor-Abschluss möglich; eingebürgert hat sich dafür der Begriff "Fast-track-Promotion".

Laut Hochschulrektorenkonferenz bietet inzwischen etwa die Hälfte der deutschen Universitäten diese Option an. Zugang dazu haben aber nur die allerbesten Studenten: So nehmen etwa die Wirtschafts-Fakultäten des Karlsruher Instituts für Technologie oder der TU München nur Bachelor-Absolventen als Doktoranden an, die nachweislich zu den fünf besten Prozent ihres Jahrgangs gehören.

Zusätzlich ist die Aufnahme oft mit weiteren Auflagen verbunden, die erfüllt werden müssen – an der Fakultät für Naturwissenschaften der Uni Düsseldorf müssen Bachelor-Absolventen zum Beispiel erst einige Module aus den Master-Studiengängen bestehen, bevor sie mit der Doktorarbeit loslegen dürfen.

Hürde Doktorvater

Die größte Hürde dürfte es aber sein, einen Doktorvater beziehungsweise eine Doktormutter für deine Arbeit zu finden. Als Bachelor-Student hast du gerade erst angefangen, dich mit wissenschaftlicher Forschung auseinanderzusetzen, wahrscheinlich noch keine umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten geschrieben und nichts publiziert. Ob du wirklich das Zeug für eine Doktorarbeit mitbringst, kann ein Betreuer also nur schwer abschätzen. Die größten Chancen hast du bei Professoren, die dich schon kennen, oder wenn du schon eine sehr konkrete Vorstellung von deinem Thema hast und diese überzeugend präsentieren kannst.

Mit Bachelor an eine Graduiertenschule

In strukturierten Promotionsprogrammen wie Graduiertenkollegs oder -schulen ist die Situation ähnlich: Manche nehmen Bachelor-Absolventen an, manche nicht. Wo es möglich ist, müssen pozentielle Doktoranden häufig erst Kurse auf Master-Niveau besuchen. Nach einer festgelegten Zeit, zum Beispiel nach einem Jahr, werden die Leistungen überprüft und die Betreuer entscheiden, ob der Kandidat für eine Promotion geeignet ist.

Viel Zeit sparst du dir in diesem Fall also nicht gegenüber der normalen Abfolge von Bachelor, Master und Promotion. Allerdings bekommst du als Student an einem Graduiertenkolleg oder einer -schule oft ein Stipendium, kannst schon in der Kurs-Phase deine Forschungsinteressen verfolgen und danach die Doktorarbeit in drei Jahren abschließen. Außerdem bist du kein Einzelkämpfer wie im traditionellen Promotionsmodell und findest so einfacher einen Betreuer für deine Arbeit. Informationen darüber, ob ein Graduiertenkolleg oder eine Graduiertenschule Bachelor-Absolventen annimmt, findest du auf der jeweiligen Website; die Deutsche Foschungsgemeinschaft, die diese Programme finanziell unterstützt, hat eine Übersicht zusammengestellt, welche Kollegs es in Deutschland gibt.

Ab ins Ausland

Im angloamerikanischen Raum, zum Beispiel in den USA oder Großbritannien, ist die Promotion mit Bachelor nicht so außergewöhnlich wie in Deutschland, vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern. Bachelor-Absolventen können sich dort in vielen Fällen direkt für einen Ph.D. an einer Graduate School bewerben. Das gilt auch für deutsche Studenten – aber mit einer Einschränkung: In den USA dauert das Bachelor-Studium vier statt drei Jahre; deshalb akzeptieren nicht alle Schulen den deutschen Abschluss in sechs Semestern. Gerade für die amerikanischen Top-Unis spielt es zudem eine wichtige Rolle, an welcher Uni du deinen Abschluss gemacht hast und ob diese international renommiert und für ihre Forschung bekannt ist.

Ähnlich wie die Graduiertenkollegs und -schulen in Deutschland sind Ph.D.-Programme stark durchstrukturiert: Die Studenten müssen eine vorgeschriebene Anzahl an Kursen besuchen und Credits erwerben, bevor oder während sie für ihre Arbeit forschen. Die Bewerbungsverfahren sind oft sehr aufwändig; du musst unter anderem Referenzen von Professoren, TOEFL- und GRE-Test-Ergebnisse und ein "Statement of Purpose" oder "Research Proposal" einreichen. Nicht vergessen solltest du außerdem, dass Ph.D.-Programme mit hohen Kosten verbunden sind: In den USA kostet ein Studienjahr zwischen 28.000 und 40.000 Dollar pro Jahr, in UK zwischen 5.000 und 10.000 Pfund.

Promovieren mit Bachelor: Pro und Kontra

Nach dem Bachelor-Abschluss zu promovieren ist nicht unmöglich, aber auch nicht gerade einfach. Wie erfolgversprechend der Plan im Einzelfall ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab:

  • Welches Fach studierst du?
  • War dein Bachelor-Studium eher theoretisch oder praktisch ausgerichtet?
  • Hast du schon als Bachelor-Student einen guten Draht zu einem Professor aufgebaut?
  • Möchtest du nach der Promotion in der Wissenschaft arbeiten?

Außerdem solltest du dich gründlich mit den Vor- und Nachteilen der Promotion mit Bachelor auseinandersetzen. Wir haben einige davon zusammengestellt.

Vorteile

  • Je nachdem welche Auflagen du vor der Zulassung zur Promotion erfüllen musst, sparst du durch das Überspringen des Master-Studiums viel Zeit.
  • Du kannst dich früher auf das eine Thema fokussieren, das dich interessiert.
  • Die Promotion mit Bachelor ist noch nicht Standard und nur den besten Studenten vorbehalten. Angenommen zu werden ist eine Auszeichnung.

Nachteile

  • Bachelor- und Master-Studium bauen oft aufeinander auf. Wenn du den Master auslässt, fehlt dir Wissen, das du dir auf anderem Weg mühsam aneignen musst.
  • In drei Jahren Studium hast du erst wenig Forschungserfahrung gesammelt. Bist du dir sicher, dass eine Doktorarbeit das richtige für dich ist?
  • Bislang gibt es noch keine Erfahrungswerte dazu, wie die Promotion mit Bachelor bei Arbeitgebern ankommt.

Zwei Doktoranden berichten

e-fellows.net-Stipendiat Anjo (26) hat im Bachelor "Angewandte Informatik" an der Berufsakademie Stuttgart studiert. Seit 2009 schreibt er an der "Graduate School of Computer Science" der Universität des Saarlandes seine Doktorarbeit zu Integritäts- und Vertraulichkeit für Speichermedien.

Warum hast du dich für dieses Promotionsprogramm beworben?

Meinen Bachelor habe ich im dualen System studiert. Dadurch hatte ich schon einige Berufserfahrung gesammelt – gleichzeitig habe ich aber gemerkt, dass ich gerne stärker wissenschaftlich arbeiten möchte. Ich bin durch die Medien auf die Exzellenzinitiative der Bundesregierung aufmerksam geworden und habe mich im Internet einfach mal durchgeklickt, welche Graduiertenschulen es gibt. Dabei bin ich auch auf die Graduate School of Computer Science in Saarbrücken gestoßen. Ich fand das Programm so überzeugend, dass ich mich direkt beworben habe.

Was musstest du dafür tun?

Ich musste verschiedene Unterlagen einreichen: ein vorläufiges Bachelor-Zeugnis, Lebenslauf, ein Statement of Purpose, Empfehlungsschreiben von Professoren, TOELF- und GRE-Test-Ergebnisse. Ein Auswahlgespräch gab es nicht.

Wie läuft das Programm ab?

Das hängt immer davon ab, mit welchem Abschluss man an die Graduiertenschule kommt. In meinem Fall war es so, dass ich in den ersten eineinhalb Jahren verschiedene Kurse auf Master-Niveau belegt habe, um ein Thema und einen Betreuer für meine Doktorarbeit zu finden. In dieser Orientierungsphase habe ich in zwei Projekten mitgearbeitet und bin dann beim zweiten "hängengeblieben". Nachdem wir mein Thema festgelegt hatten, musste ich noch das "Qualifying Exam" machen; dann konnte ich mit der Arbeit loslegen.

Hast du durch die Promotion mit Bachelor irgendwelche Nachteile?

Nein – gar nicht. Ich bin hier auch keine Ausnahme; sehr viele meiner Kommilitonen haben nur einen Bachelor-Abschluss. Dass ich in der Graduate School bin, ist sicherlich ein großer Vorteil für mich: Das Programm ist ein Aushängeschild der Uni, die Professoren sind an uns interessiert und nehmen uns gerne in ihre Projekte auf. Was auch sehr positiv ist: Ich könnte jederzeit aussteigen und den Master machen – das habe ich aber nicht vor!

e-fellows.net-Stipendiatin Katrin (23) hat Biotechnologie an der FH Krems studiert. Während sie in in Großbritannien an ihrer Bachelor-Arbeit schrieb, lernte sie den späteren Betreuer ihrer Doktorarbeit kennen - einen Wissenschaftler aus Neuseeland. Jetzt forscht sie an der University of Otago in Dunedin an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Krebs.

Wie bist du in Neuseeland gelandet?

Während meines Bachelor-Studiums musste ich ein "Practical Training"-Semester machen, eine Art kombiniertes Auslands- und Praxissemester, über das man dann auch seine Bachelor-Arbeit schreibt. Ich habe diese Zeit in Großbritannien verbracht und dort in einem Spin-off der Leicester University gearbeitet. Mein Betreuer, der Head of Research and Development dieser Firma, kam aus Neuseeland und hat kurz nach meiner Rückkehr nach Österreich eine Professorenstelle in Neuseeland angetreten. Wir sind über E-Mail in Kontakt geblieben und als ich ihm von meinen Plänen für ein Master-Studium erzählt habe, hat er mich kurzerhand gefragt, ob ich nicht stattdessen nach Neuseeland kommen und hier meinen Ph.D. machen möchte. Und das habe ich dann gemacht.

Wie läuft die Promotion in Neuseeland ab?

Ich bin als Studentin an der Uni eingeschrieben und finanziere mich über ein Stipendium. Die meiste Zeit arbeite ich an meinem Projekt, ich muss aber auch Bachelor-Studenten betreuen. Außerdem nehme ich pro Woche an zwei bis drei Seminaren teil und bin in einigen Journal Clubs, wo wir gemeinsam Paper lesen und besprechen. Für meine Promotion sind drei Jahre vorgesehen; wahrscheinlich werden es ein paar Monate mehr werden.

Ist die Promotion mit Bachelor in Neuseeland üblich?

Um hier einen Ph.D. machen zu können, muss man Laborerfahrung vorweisen, mindestens sechs Monate in einem Projekt mitgearbeitet und eine Forschungsarbeit geschrieben haben. Neuseeländische Studenten erfüllen diese Voraussetzungen nach dem Bachelor noch nicht, weil der sehr theoretisch ist; deshalb müssen sie noch ein einjähriges Aufbaustudium machen, indem sie sehr viel praktisch forschen. Die meisten anderen ausländischen Studenten, die ich kenne, haben einen Master – aber es gibt hier auch einige Deutsche, die so wie ich nur mit Bachelor promovieren.

Befürchtest du Nachteile durch die Promotion mit Bachelor oder überwiegen die Vorteile?

Ich glaube, dass es sich die Waage hält. Bevor ich nach Neuseeland gegangen bin, habe ich mit einigen Professoren gesprochen. Alle haben mir versichert, dass sich nach dem Ph.D niemand mehr dafür interessiert, ob man einen Master hat oder nicht. Als zusätzliches Plus habe ich dann auch noch die Auslandserfahrung. In meiner täglichen Arbeit merke ich aber manchmal schon, dass mir Grundlagen fehlen. Gerade geht es zum Beispiel um Statistik – das muss ich mir dann selbst beibringen oder ich bitte die anderen Ph.D.-Studenten um Hilfe.

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