Scientific Networking: Wollen wir Freunde sein, Herr Professor?

Autor*innen
Magdalena Schneider
Ein Mann und eine Frau unterhalten sich über ein Schnurtelefon.

Ob der eloquente Plausch auf einer Konferenz oder der fachliche Austausch mit Kollegen im Internet: Das Netzwerken in der Wissenschaftscommunity will gelernt sein. Tipps und Tricks, wie du deine Karriere mit geschicktem Beziehungsaufbau on- und offline in die richtigen Bahnen lenkst.

Beim Thema Netzwerken denkt manch einer zuerst an etwas Verwerfliches. Es klingt ein bisschen nach Klüngelei, nach einem unrechtmäßigen Sprung auf der Karriereleiter, den man alleine nicht geschafft hätte. In einer Studie von Forscherinnen der Universitäten Toronto, Harvard und der Northwestern University in den USA fühlten sich Teilnehmer sogar "dreckig, unauthentisch und unwohl", wenn sie auf einer Netzwerkveranstaltung Leute kennenlernten, um persönliche Jobchancen zu erhöhen.

Noch mehr als in der Wirtschaft, hat das Konzept des Netzwerkens in der Wissenschaft für viele einen negativen Beigeschmack. Trotzdem ist es wichtig, um eigene Ideen zu verbreiten, einen interessanten fachlichen Austausch zu ermöglichen – oder künftige Finanzierungsmöglichkeiten für die eigene Forschung anzustoßen.

Netzwerken offline: Small-Talk mit Niveau

Die klassische Variante, in der Wissenschaft neue Kontakte zu knüpfen, ist der Besuch von Konferenzen. Dort findest du konzentriert an einem Ort in kurzer Zeit viele Leute, die dich fachlich weiterbringen können. Hier einige Tipps für Konferenz-Neulinge:

  1. Starte klein.
    Anlässlich großer Konferenzen gibt es oft sogenannte Pre- oder Post-Conferences. Sie haben zwar einen Bezug zum Konferenzthema, sind aber wesentlich überschaubarer. Dort hast du die Möglichkeit, dich langsam an die Hektik des Wissenschaftsbetriebs zu gewöhnen. Oder du entscheidest dich gleich für die Konkurrenz-Veranstaltung einer kleineren Organisation, die oft parallel stattfindet. Es ist meist leichter, eine kleine Gruppe an Leuten kennenzulernen.
  2. Hab keine Angst, auf unbekannte Gesichter zuzugehen.
    Du bist eingeschüchtert von den großen Namen deines Fachbereichs? Wende dich zuerst an Personen deines Levels, zum Beispiel andere Studenten oder Jung-Wissenschaftler. In einem zweiten Schritt kannst du deinen Professor bitten, dich der Koryphäe vorzustellen, die du schon so häufig in deinen wissenschaftlichen Arbeiten zitiert hast. Überlege dabei auch über deinen Gesprächseinstieg hinaus, wie sich eine Unterhaltung entwickeln könnte. Du lobst zuerst das neue Paper des Kollegen? Hab nach der Antwort des Gegenübers ("Danke, das ist nett!") noch mehr parat, zum Beispiel eine konkrete Frage zur Forschungsmethode. Mögliche Fragen, um ein Gespräch zu beginnen sind zum Beispiel: "Sind Sie zum ersten Mal auf dieser Konferenz?", "Was war bis jetzt Ihr interessantester Vortrag?" oder "Auf welchen Vortrag freuen Sie sich besonders?"
  3. Sei keine Mimose.
    Dein Professor oder der Kollege aus dem eigenen Fachbereich ignoriert dein freudiges "Hallo!" auf dem Hotelgang und huscht einfach an dir vorbei? Nimm es nicht persönlich. Auf Konferenzen ist man in Gedanken oft schon mit seiner nächsten Präsentation beschäftigt. Warte auf einen günstigeren Moment, wenn sich der Stress etwas gelegt hat.
  4. Kontakte außerhalb der Vortragsräume.
    Zum persönlichen Austausch bleibt zwischen zwei Vorträgen oft keine Zeit. Nutze deshalb Pausenräume mit WLAN nicht nur, um deine E-Mails zu checken. Dort ist die Stimmung oft weniger professionell aufgeladen, so kannst du Kollegen auch informeller ansprechen. Snacks und Kaffee inklusive. Abends solltest du dich auch einmal in einer Bar zeigen, um deine Kollegen auf einer anderen Ebene kennenzulernen. Aber Achtung: Betrunken über den schrulligen Professor vom Nachmittagsvortrag zu lästern, ist keine gute Idee – du weißt nicht, wer am Nachbartisch sitzt, oder ob dein Gesprächspartner den besagten Professor vielleicht persönlich kennt.
  5. Belohn dich.
    Wissenschaftliche Konferenzen führen dich oft an exotische Orte. Gönn dir während der Konferenz einen freien Nachmittag oder im Anschluss ein paar Urlaubstage, um den Konferenzort auch jenseits von Stuhlreihen und PowerPoint-Präsentationen kennenzulernen.

Netzwerken online: publizieren und diskutieren

Deine erste Konferenz hast du gut überstanden? Jetzt heißt es: nicht entspannt zurücklehnen bis zur nächsten Veranstaltung. Dranbleiben lohnt sich – das Internet bietet für Wissenschaftler jeder Fachrichtung die Möglichkeit zum Austausch. Natürlich kannst du dafür auch soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. oder Karrierenetzwerke wie LinkedIn oder Xing nutzen. Es gibt aber darüber hinaus Plattformen, die sich speziell an Wissenschaftler richten.

Die meistgenutzten sind momentan Academia.edu (rund 40 Millionen Nutzer), ResearchGate (10 Millionen Nutzer) und Mendeley (3 Millionen Nutzer). Wie in allen anderen Netzwerken kann man sich hier in Nutzerprofilen präsentieren und mit anderen austauschen. Der wichtigste Unterschied zu Plattformen wie Facebook ist die Möglichkeit, eigene Publikationen zu verbreiten und mit der Community zu diskutieren. In Open Reviews kannst du bei ResearchGate deine eigene Meinung zu Arbeiten der Kollegen veröffentlichen. Wie oft deine eigenen Publikationen gelesen oder zitiert werden, bekommst du in Statistiken angezeigt. Um gemeinsame Projekte mit Kollegen an fernen Unis zu bestreiten, hast du die Möglichkeit Gruppen zu erstellen und dort kommentierte Dokumente zu teilen. Last but not least, bieten ResearchGate und Adademia.edu auch forschungsorientierte Jobbörsen, Mendeley kann dagegen mit Literaturverwaltung punkten.

Egal für welches Netzwerk du dich entscheidest, auch online helfen bestimmte Spielregeln, um zum Networking-Profi zu werden:

  1. Pflege dein(e) Profil(e).
    Stell dich vor mit Informationen zu deinem Hintergrund, deinen Forschungsinteressen, Publikationen und denke dabei an dein Publikum – Kollegen, Journalisten aber auch die Öffentlichkeit.
  2. Investiere Zeit in dein Netzwerk.
    Vernetze dich mit Leuten, die dein Forschungsinteresse teilen – egal ob du sie persönlich kennst oder nicht.
  3. Verfang dich nicht im Netz.
    Nicht nur bei Facebook kann man Zeit verschwenden. Leg bestimmte Zeiten fest, die du gezielt für den Netzwerkaufbau online investierst.
  4. Vergreif dich nicht im Ton.
    Der Tonfall für die Online-Kommunikation kann sich von Netzwerk zu Netzwerk unterscheiden. Wenn du dir nicht sicher bist, wie locker du deine Kollegen anschreiben kannst, lies zunächst einfach passiv ein bisschen mit.
  5. Bleib nicht im Netz.
    Identifiziere online Kollegen, die du auch gerne in echt treffen möchtest. Eine Möglichkeit für einen persönlichen Kontakt ergibt sich bestimmt bei der nächsten Konferenz oder einem Vortrag.

Wenn du dich in all diesen Tipps nicht wiederfindest, hilft dir vielleicht am Ende noch der Hinweis des renommierten amerikanischen Politikprofessors Daniel W. Drezner. Als Reaktion auf die Networking-Empfehlungen eines Kollegen, wandte er sich mit folgenden Worten an seine jungen Kollegen:

You don’t have to network at all. It likely helps your professional development a little bit on the margins, but not nearly as much as you would think. The opportunity costs are small compared to researching and publishing good work.  Pour your manic energy into the latter far more than the former, and don’t fret that you’re missing all the cool parties if you don’t feel like schmoozing.
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