Equity Capital Markets (ECM): Was macht ein ECM-Banker?

Autor*innen
Stephan Milde
Eine Person im Anzug, die ihre Arme verschränkt. Ihr Kopf wurde durch eine leuchtende Glühbirne ersetzt.

Das ECM-Team ist so etwas wie die Produktabteilung innerhalb einer Investmentbank: Hier beraten Experten für Eigenkapitalfinanzierung große Unternehmen und sogar Regierungen. Wenn du hier einsteigen willst, solltest du kein Langschläfer sein.

Grundsätzlich ist ein Banker im Equity Capital Markets (ECM) in alle Facetten der drei wesentlichen Corporate-Finance-Bereiche großer Investmentbanken eingebunden, das heißt Equity, Debt (DCM) und M&A. Dies ist notwendig, um den Kunden einen ganzheitlichen Beratungs- und Lösungsansatz für deren Corporate-Finance-Fragestellungen bieten zu können.

Schwerpunkt: Eigenkapitalfinanzierung

Schwerpunktmäßig liegt der Aufgabenbereich jedoch in der Eigenkapitalfinanzierung. Üblicherweise ist das ECM-Team somit eine "Produktabteilung" innerhalb der Investmentbank, mit Experten für alle Fragen im Zusammenhang mit Eigenkapitalfinanzierungen.

Die Kunden: Unternehmen, Regierungen, Investoren

Kunden sind in der Regel börsengelistete Unternehmen aller Größenklassen, das heißt kleinere und mittlere Unternehmen (sogenannte Small und Mid Caps) sowie Large Caps (zum Beispiel die im deutschen Leitindex DAX enthaltenen Aktiengesellschaften). Daneben gibt es allerdings auch Produkte im Rahmen des ECM-Geschäfts, die für nicht gelistete Unternehmen geeignet sind (zum Beispiel der Börsengang/IPO oder bestimmte Derivate). Darüber hinaus zählen Finanzinvestoren (Financial Sponsors beziehungsweise Private-Equity-Gesellschaften) sowie Regierungen (zum Beispiel im Rahmen von Privatisierungen) regelmäßig zu den Kunden, die Lösungen der ECM-Abteilung in Anspruch nehmen.

Produkte im ECM

Die Produkte beziehungsweise Transaktionen, die im Hauptaufgabenbereich des ECM-Teams liegen, umfassen unter anderem

  • Börsengänge beziehungsweise IPOs (zum Beispiel der 1,55 Milliarden Euro IPO der Deutschen Postbank im Jahre 2004),
  • Kapitalerhöhungen (zum Beispiel die Kapitalerhöhung von 1,2 Milliarden Euro der Continental zur VDO-Akquisition 2007),
  • Platzierungen größerer Aktienpakete (unter anderem im Rahmen sogenannter Block Trades, zum Beispiel durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Aktien der Deutschen Telekom),
  • Wandel- und Umtauschanleihen (Equity-linked Produkte wie zum Beispiel die 2,3 Milliarden Euro Pflichtwandelanleihe von Bayer zur Finanzierung der Schering Akquisition im Jahr 2006)
  • sowie private Aktienderivate-Transaktionen, Aktienrückkäufe et cetera.

Die oben genannten Produkte beziehungsweise Transaktionsarten sind in verschiedenen Variationen beziehungsweise Strukturen denkbar und teilweise miteinander kombinierbar, je nach Bedarf des Kunden und abhängig vom vorherrschenden Marktumfeld.

Tagesablauf und Hauptaufgaben

Grundsätzlich ist die Arbeit im Bereich Equity Capital Markets vergleichbar mit der Tätigkeit in reinen M&A-Abteilungen, obwohl sie üblicherweise etwas marktbezogener ist. Dies drückt sich unter anderem dadurch aus, dass der Arbeitstag in der ECM-Abteilung in der Regel relativ früh beginnt, damit man vor den Öffnungszeiten der großen europäischen Börsen bereits über die wichtigsten Ereignisse informiert ist (zum Beispiel in sogenannten Morning oder Update Calls).
 
Darüber hinaus steht man in regelmäßiger Interaktion mit Aktienhändlern und Equity-Sales-Mitarbeitern des Handelsraums (Trading Floor) sowie in eingeschränktem Maße auch mit Aktienanalysten aus dem Research. Dadurch erhält man beispielsweise Feedback über Investorenmeinungen und den Handel in bestimmten Aktien.

Chinesische Mauern

Bei der Zusammenarbeit mit Sales, Trading und Research sind grundsätzlich gewisse regulatorische und gesetzliche Rahmenbedingungen (Chinese Walls) zu beachten. Der Grund dafür liegt darin, dass es sich hier um Abteilungen der öffentlichen Seite (public side) handelt, während sich ECM (wie auch M&A und ausgewählte Bereiche von DCM) auf der privaten Seite (private side) befinden. Somit gelten hier strengere Vertraulichkeitsanforderungen.

Erst der Pitch, dann die Execution

Die Arbeit kann prinzipiell in zwei Phasen getrennt betrachtet werden: Einmal das Marketing (Pitching), bei dem man sich für den Kunden und zusammen mit dem Kunden über bestimmte Fragestellungen berät (zum Beispiel die Strukturierung der Einbringung einer nicht gelisteten Gesellschaft in ein gelistetes Unternehmen verbunden mit einer Kapitalerhöhung). Zudem arbeitet man darauf hin, das offizielle Mandat für diese Transaktion zu erhalten. Daneben kümmert man sich um die Durchführung von Transaktionen (Execution), nachdem man vom Kunden beauftragt wurde (in Abhängigkeit von der Transaktionsart und -größe werden oft auch mehrere Banken mit der Execution beauftragt).

Accelerated Offerings gehen schnell ...

Bei der Durchführung von Transaktionen kann man zwischen solchen unterscheiden, die "dokumentationsarm" durchgeführt und üblicherweise innerhalb eines Tages am Markt platziert werden. Bei derartigen Transaktionen spricht man von sogenannten Accelerated Offerings. Ein Beispiel ist die im Mai 2009 erfolgte Platzierung einer 250-Millionen-Euro-Wandelanleihe des Solarzellenherstellers Q-Cells, die innerhalb weniger Stunden an institutionelle Investoren und Hedge-Fonds verkauft wurde. Die gesamte Execution bei diesen Transaktionen, vom Kick-off bis zur Abwicklung (Settlement), dauert oft nicht länger als zwei bis vier Wochen.

... Börsengänge dauern etwas länger

Darüber hinaus gibt es Transaktionen wie zum Beispiel Börsengänge und Bezugsrechtsemissionen, die über mehrere Monate vorbereitet und an Investoren vermarktet werden. Die längere Dauer der Execution von drei bis sechs Monaten ergibt sich unter anderem aufgrund der erhöhten regulatorischen und vermarktungstechnisch notwendigen Dokumentationsanforderungen.

Vom Kick-off zur Bewertung

Die Execution von vermarkteten Transaktionen (wie zum Beispiel IPOs) startet üblicherweise mit einem Kick-off-Meeting aller wesentlichen beteiligten Parteien (Kunde, Bank(en), Anwälte, Wirtschaftsprüfer et cetera). Im Anschluss daran werden im Rahmen der Durchführung der Transaktion verschiedene Arbeitsschritte (Workstreams) bearbeitet, die unter anderem im Verantwortungsbereich der ECM-Abteilung liegen.

Eine "Equity Story" entwickeln

Das umfasst zum Beispiel eine Prüfung des Unternehmens (Due Diligence), die von der Bank (und den Anwälten) vorgenommen werden muss. In diesem Schritt lernt man sowohl das Unternehmen als auch den Sektor detailliert kennen, in dem das Unternehmen tätig ist. Die gewonnenen Kenntnisse nutzt man zur Entwicklung einer Equity Story, die später zur Vermarktung des Unternehmens verwendet wird. Weiterhin muss ein Angebotsprospekt verfasst und eine Bewertung des Unternehmens vorgenommen werden.

ECM-Abteilungen sitzen meist in London

Am Ende des Prozesses stehen in der Regel eine Roadshow des Managements bei institutionellen Investoren sowie ein sogenanntes Bookbuilding, in dem die Nachfrage nach Aktien des Unternehmens gesammelt wird. All diese Tätigkeiten werden von der ECM-Abteilung maßgeblich unterstützt beziehungsweise durchgeführt. Aufgrund der bereits beschriebenen Marktnähe und dem notwendigen Kontakt zu institutionellen Investoren, die Nachfrager nach Aktien eines Unternehmens darstellen, sitzen ECM-Abteilungen in Europa üblicherweise in London.

Aktuelle Entwicklungen

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich seit Anfang 2008 auf die globalen Aktienmärkte, Investoren und Unternehmen ausgewirkt. Sie beeinflusste auch die Notwendigkeit und Möglichkeit, neues Eigenkapital aufzunehmen oder Beteiligungen zu veräußern. Generell sind globale ECM-Volumina zurückgegangen, wobei innerhalb der durchgeführten Transaktionen eine relative Verschiebung zum Bank- und Finanzsektor als größtem Emittentenkreis stattgefunden hat. Weiterhin ist zum Beispiel die Anzahl der Börsengänge stark zurückgegangen, während Kapitalerhöhungen (und hier insbesondere sogenannte Bezugsrechtsemissionen) stark zugelegt haben.

Trotz Krise keine grundätzlichen Änderungen

Während der Einfluss und das Ausmaß der Krise fraglos signifikant war und aktuell noch ist, werden sich keine grundsätzlichen oder fundamentalen strukturellen Veränderungen im klassischen ECM-Geschäft ergeben. Produktinnovationen und relative Verschiebungen beziehungsweise Trends innerhalb des ECM-Geschäfts hat es auch in früheren Wirtschafts- und Aktienmarktzyklen gegeben. Die Möglichkeit zur flexiblen Aufnahme neuen Eigenkapitals wird auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Kapitalplanung und -ausstattung von Unternehmen bleiben.

Was sollten potenzielle ECM-Interessenten mitbringen?

Für die Arbeit in einer ECM-Abteilung sollte man sich für die Funktionsweise der Aktienmärkte und für makroökonomische Zusammenhänge interessieren, wobei eine spezifische Vorbildung nicht unbedingt notwendig ist. Idealerweise sollte man ein Grundverständnis wichtiger Corporate-Finance-Themenbereiche (zum Beispiel Discounted Cashflow, Muliplikatorenbewertung, Rechnungslegung/Financial Accounting, Derivate) mitbringen. Dies hat man im Idealfall durch ein BWL-/VWL-Studium oder einen MBA erworben. Jedoch ist dies, wie auch in anderen Bereichen des Investment Bankings, keine notwendige Voraussetzung. Wichtiger sind eine schnelle Auffassungsgabe, gute analytische Fähigkeiten, Interesse an den schon angesprochenen Themen und eine gewisse Offenheit gegenüber neuen Fragestellungen.

Erfahrung im Investment Banking von Vorteil

Man kann sowohl als Hochschulabsolvent direkt oder nach vorheriger beruflicher Tätigkeit ins ECM einsteigen. Für berufserfahrene Quereinsteiger wäre eine vorherige Tätigkeit im Investment Banking oder eine aktienmarktbezogene Tätigkeit (zum Beispiel als Research-Analyst oder bei einem institutionellen Investor) von Vorteil.

© Dieser Artikel ist zuerst im Buch Perspektive Investment Banking & Asset Management erschienen.

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